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Sport: „Mein Gefühl sagt mir, dass der Film ins Kino kommt“

Sönke Wortmann dreht bei der Nationalelf und wäre auch mit einem Fernsehfilm zufrieden gewesen – dann begann das Fußballdrama

Herr Wortmann, das Vorbild für Ihr Filmprojekt lieferte Stéphane Meunier, der die Franzosen 1998 auf dem Weg zum WM-Titel filmte.

Stimmt. Der Film war aber nicht Inspiration, sondern eher Ideengeber. Ich habe ja nie für möglich gehalten, so dicht an irgendeine Nationalmannschaft heranzukommen. Ich saß mit offenem Mund da, als ich damals den Film gesehen habe.

Dieser Film funktionierte schon deshalb, weil die Franzosen den Titel gewannen. Die deutsche Mannschaft kann den Titel nicht mehr gewinnen.

Richtig, aber es gibt auch so sehr viele Emotionen.

Ist das Ihr Ziel, ein Dokumentarfilm der Emotionen? Oder gibt es für einen Film zu viele Helden in der Mannschaft?

Im Kino gibt es den klassischen Actionhelden, der meistens allein gegen alle kämpft, aber es gibt auch Filme wie „Die sieben Samurai“, in denen die Helden zusammengesucht werden. Jeder ist Spezialist auf seinem Gebiet, jeder weiß, was er macht, und zusammen verbringt diese Gruppe eine Heldentat. Das ist ein gängiges Konzept, besonders in Hollywood.

Sie wollen einen Hollywood-Film?

Wie der Name schon sagt: Einen Hollywood-Film kann man nur in Amerika machen.

Gab es Tabus?

Nein, gar nicht.

Wie dicht kamen Sie ran?

So dicht, wie ich wollte.

Wie Sie wollten?

Ja. Der große Taburaum ist natürlich die Kabine, und da bin ich drin: vor dem Spiel, in der Halbzeitpause und nach dem Spiel. Es gibt verschiedene Bereiche, wo ich nicht hingehe. Also ich gehe jetzt nicht unter die Dusche. Ich finde, das gehört sich nicht. Aber ich glaube, selbst wenn ich da jetzt auftauchen würde, hätte damit keiner ein Problem.

Wie ist es Ihnen gelungen, Distanz zu halten?

Wollte ich ja gar nicht. Ich will ja filmen, wie es ist. Das kriegt man am besten hin, wenn man keine Distanzen aufbaut, sondern mittendrin ist. Wenn ich Distanzen aufbaue, werden die gegenseitig empfunden, und dann wird alles nicht so authentisch.

Gibt es Szenen, als Sie keine Kamera dabei hatten und sich heute ärgern?

Ich muss immer eine Balance finden, zwischen dem, was notwendig ist, aber darf dabei einen gewissen Nervfaktor nicht überschreiten. Wenn ich ständig mit der Kamera rumlaufen würde, dann würde es die Spieler irgendwann ankotzen. Ich habe eigentlich alles erwischt bis auf ein, zwei Kleinigkeiten.

Zum Beispiel?

David Odonkor hat nach seinem ersten Länderspiel eine sehr süße Rede gehalten, nachts um halb zwei im Hotel. Aber ich habe auch so viel gutes Material.

Der Traum vom Titel ist der Mannschaft genommen worden. Wie sieht es mit Ihrer Lust auf einen Kinofilm aus?

Meine Lust ist nicht geringer geworden, warum auch?

Als Sie Ihre Arbeit vor mehr als einem Jahr begonnen haben, sagten Sie, dass ein unglückliches Aus im Halbfinale das Minimum für einen Kinofilm ist und es sonst ein Fernsehfilm wird.

Es ist immer ein Unterschied, ob man es sich zu Hause vor dem Fernseher gemütlich macht, sich ein Bier holt und sich das im Fernsehen anguckt. Aber um dann aufzustehen, ins Kino zu fahren, zehn Euro Eintritt zu bezahlen und eine deutsche Mannschaft vielleicht im Achtelfinale verlieren zu sehen – da bin ich mir nicht so sicher, ob das funktioniert.

Das heißt, der Film wird ins Kino kommen?

Aus filmischer Sicht ist das dramatische Aus im Halbfinale gegen Italien absolut ausreichend. Natürlich wäre es mir lieber gewesen, wenn die Mannschaft das Endspiel erreicht hätte, aber das macht für mich keinen so großen Unterschied mehr. Mein Gefühl sagt mir, dass der Film ins Kino kommt.

Wird es ein Film werden, der die Spieler überraschen kann?

Das kann ich schwer sagen, das kommt immer darauf an, was sie erwarten.

Tore wollen Sie ja nicht zeigen.

Mal sehen. Die Tore finde ich nicht so wichtig, wichtiger ist, wie ein Torschütze damit umgeht. Die Tore hat man oft genug gesehen.

Besprechen Sie sich mit einer Frau, schließlich wollen Sie bestimmt, dass auch Frauen, die Fußballfilme nicht so sehen, den Film gucken?

Ich will mich nicht an ein weibliches Publikum anbiedern, indem ich sage, oh, jetzt muss ich mal halbnackte Italiener zeigen. Es ist auch gar nicht notwendig. Für mich ist es eine der großen Erkenntnisse dieser WM, dass Frauen in ganz großem Maße infiziert wurden. Ich sehe es ja an meiner eigenen. Die war einmal gegen Ekuador mit im Stadion und ist jetzt so süchtig, dass sie vor dem Fernseher fast einen Herzinfarkt kriegt.

Müssen Sie das Endprodukt erst einmal Jürgen Klinsmann vorlegen?

Ich will es den Trainern sogar zeigen. Sie haben eine Fürsorgepflicht gegenüber den Spielern. Aber es gab bisher keine Situation, die kritisch war.

Das wollen die Leute sehen, einen völlig unkritischen Film?

Sie wollen vor allem einen emotionalen Film sehen. Und: Was wollen Sie denn kritisieren? Im Moment gibt es keine zwei Meinungen, oder?

Das Halbfinale zwischen Deutschland und Italien fand am 52. Jahrestag des „Wunders von Bern“ statt. Worin besteht das Wunder dieser Mannschaft?

Die Mannschaft hat so gut gespielt, dass ich mich nicht erinnern kann, dass es jemals so war. Dass das so schnell umgesetzt werden konnte, beeindruckt mich. Ich würde es jetzt aber nicht „Wunder“ nennen, weil es etwas mit Visionen und mit einer großen Arbeitsleistung zu tun hat.

Welche Rolle wird Jürgen Klinsmann spielen?

Eine sehr große, weil er natürlich die entscheidenden Reden hält vor dem Spiel.

Was sind das für Reden? Besteht nicht die Gefahr, dass Klinsmann durch den Film entzaubert wird?

Nein. Es gab auch Vorbehalte beim „Wunder von Bern“. Einige Leute befürchteten, dass ein Mythos entzaubert werden würde. Es wurde kein Mythos entzaubert, sondern er wurde gerade für die Jüngeren erst einmal nahe gebracht.

Vielleicht wohnt den Reden Klinsmanns ja gar kein Zauber inne?

Ich denke schon, Sie werden es sehen.

Das Gespräch führte Michael Rosentritt.

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