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Mein Lieblingssport: Judo

Du musst Dich verteidigen können, sagten meine Eltern. Ich hasse Schmerzen, dachte ich.

Du musst Dich verteidigen können, sagten meine Eltern.

Ich hasse Schmerzen, dachte ich. Also wurde es Judo.

Der friedliche Wettkampf unter den Kampfsportarten, die bestmögliche Verbindung von Höflichkeit und Härte. Gewichtsverlagerungen des Gegners ausnutzen, Griffe, Würfe, Hebel, Haltetechniken. Punkte werden vergeben, je nachdem, ob der Gegner auf die Seite oder den Rücken fällt.

Spätestens nach einiger Zeit im Haltegriff: Sieg oder Niederlage. Keine Tritte, keine Schläge – und damit ein möglicher Kompromiss zwischen den modern-emanzipierten Eltern und ihrer heimlich vom Ballett träumenden Tochter. Immerhin sieben Jahre lang arbeiteten meine Freundin Laura und ich uns dann im Judo-Club „Jigoro Kano“ im rheinland-pfälzischen Ingelheim dem grünen Gürtel entgegen. Die erste halbe Stunde Ausdauer- und Krafttraining,

danach Kampftechniken. Unsere wöchentlichen Choreografien hatten einiges mit Tanzen gemeinsam.

Wir kannten die Bewegungen und Angriffe der anderen irgendwann im Schlaf, perfektionierten zusammen unsere Techniken und ließen uns an den richtigen Stellen auch mal absichtlich fallen. Viel Spaß, viel Schweiß, aber keine Schmerzen.

Hätte, ja hätte da nicht am Ende jeder Stunde der Trainingskampf auf uns gewartet. Eigentlich für jeden Judoka der Höhepunkt der Trainingseinheit, für uns aber allwöchentliches Übel. Für den Kampf nämlich wurden die Partner „durchgemischt“. In einem Dorfverein wie dem unseren bedeutete das, dass Laura und ich uns mit dem einzigen anderen weiblichen Trainingspaar in unserer Gewichtsklasse duellieren mussten: Zwillinge, immer im Training, uns mehrere Gürtelfarben voraus, quasi mit dem schwarzen Gürtel im Mund geboren. Die hatten keine Lust auf einen Nichtangriffspakt.

Immerhin: Das Gefühl, ordentlich fest auf die Matte geklatscht und im Würgegriff gedemütigt zu werden, sich im Anschluss aber die Wuttränen wegzuwischen, den Kittel zu richten und mit einer asiatisch-freundlichen Verbeugung für den Kampf zu bedanken – das härtet wirklich ab fürs Leben. Gespuckt und gekratzt wird einfach nicht. Meinen Judokittel habe ich dann irgendwann verkauft und mich dem Jazztanz gewidmet. Aber den schwer verdienten Gürtel, den hab ich noch.Elisa Simantke

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