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Luka Pavicevic, 42, ist seit 2007 Trainer der Basketballer von Alba Berlin. Seine größten Erfolge in dieser Zeit waren der Meistertitel 2008, der Pokalsieg 2009 sowie das Erreichen des Eurocup-Endspiels 2010. Als Spieler gewann der Serbe zwischen 1989 und 1991 dreimal in Folge die Europaliga. Foto: Streubel

© BorisStreubel

Sport: „Mein Weg ist viel härter“

Alba-Trainer Luka Pavicevic erklärt, warum Spieler es bei ihm nicht leicht haben und seine Frau an seinen Rückenschmerzen schuld ist

Herr Pavicevic, Alba startet am Dienstag in den Eurocup, in der Bundesliga hat Ihr Team zuletzt nicht immer überzeugt. In der vergangenen Woche hatten Sie große Rückenprobleme. Ist Ihnen schon einmal in den Sinn gekommen, daran könnte der permanente Stress schuld sein?

Das glaube ich nicht. Die Rückenschmerzen habe ich, seit ich meine Frau kenne.

Wie bitte?

1991 bin ich mit meiner damaligen Freundin, meiner heutigen Frau, von Belgrad mit dem Auto zum Konzert von Guns N’ Roses nach Budapest gefahren. Es war die große Zeit der Band, „Take me down to the Paradise City“, Sie wissen schon. Jedenfalls sind wir lange durch die Stadt gelaufen und dann ins Stadion, die Vorband Faith No More war völlig auf Drogen, Guns N’ Roses kamen erst sehr spät auf die Bühne. Wir standen stundenlang im Regen und waren erst morgens früh wieder in Belgrad. Beim Training am nächsten Tag hat es plötzlich geknackt und ich bin zwei Monate ausgefallen.

Und seitdem haben Sie Rückenschmerzen?

Ich habe Profi-Basketball gespielt, seitdem ich 14 Jahre alt bin. Ich war der jüngste Spieler aller Zeiten in der jugoslawischen Liga, die damals die mit Abstand beste in Europa war. Ich habe 21 Saisons auf allerhöchstem Niveau gespielt. Ich werde Sie nicht anlügen: Das ist nicht gesund. Ich habe viele chronische Verletzungen, dazu gehört auch mein Rückenleiden. Ich habe Probleme mit beiden Achillessehnen, Schmerzen in den Knien, Probleme mit dem Hals, schauen Sie (Pavicevic beugt sich nach vorne und präsentiert einen Knubbel im Nacken).

Seit Sie im Sommer 2007 nach Berlin gekommen sind, haben Sie aber noch nie wie in der vergangenen Woche wegen Schmerzen am Spielfeldrand sitzen müssen.

Normalerweise habe ich meinen Rücken im Griff, indem ich Kraftübungen mache und in Form bleibe. In diesem Sommer habe ich aber bei einem Veteranenspiel zwischen meinem alten Klub Jugoplastika Split und dem FC Barcelona mitgemacht. Ich habe es übertrieben und viel länger und härter gespielt, als ich eigentlich sollte. Ich habe mich total zerstört und konnte deshalb in den letzten Monaten mein Programm nicht einhalten. Um es kurz zu machen: Mit Stress haben meine Rückenschmerzen nichts zu tun. In dieser Hinsicht ging es mir nie besser.

Sie wirken in der Tat etwas entspannter als vor drei Jahren.

Es freut mich, dass Ihnen das auffällt. Ich denke, ich habe mich in dieser Hinsicht sehr stark entwickelt. Als ich nach Berlin gekommen bin, waren meine Ambitionen und Ansprüche so hoch, dass sie mein Leben bestimmt haben. Es ist okay, große Ziele zu haben – wenn aber alles andere im Leben dadurch getötet wird, ist das nicht okay. Die Alba-Verantwortlichen haben mich sehr stark darin beeinflusst, wie ich an Basketball, meinen Job und mein Leben herangehe. Die drei Jahre hier in Berlin waren eine wichtige Erfahrung für mich.

Sie sind ein akribischer Arbeiter. Basketball ist einerseits gekennzeichnet von Disziplin und Konzentration, andererseits von spielerischer Leichtigkeit und Kreativität. Wie schwer ist es, dabei die richtige Balance zu finden?

Auf dem höchsten Niveau braucht man eine klare Struktur. Wir bei Alba sind nicht die Memphis Grizzlies oder eines dieser mittelmäßigen NBA-Teams, die nur 30 oder 50 Prozent ihrer Spiele gewinnen und danach trotzdem erklären, es sei eine gute Saison gewesen. Alba muss immer gewinnen, dafür braucht man eine Struktur und ein System. Auf der anderen Seite ist Basketball immer noch ein Spiel. Es gibt immer Momente, in denen ein Spieler die Freiheit bekommt, um sein Talent auszunutzen. An diesen Entscheidungen sieht man die Klasse eines Spielers.

Nicht allen Spielern fällt es leicht, sich Ihrem Stil anzupassen.

Manche besitzen zwar das Talent, sie wollen sich aber nicht den Strukturen unterwerfen. Sie wollen nur hin- und herlaufen und sehen, wo sie das Spiel hinführt. Mein Weg ist viel härter, weil die Spieler viel lernen müssen. Kenan Bajramovic, ein guter Spieler, wollte sich zum Beispiel nicht vom System limitieren lassen. Wenn er frei war, wollte er nicht werfen. Wenn aber alle anderen frei waren, dann hat er geworfen. Unsere Struktur war zu kompliziert, zu anstrengend für ihn. Und in der Verteidigung wollte er seine Kraft für den Angriff sparen. Das ist ein Problem.

Sie haben einmal gesagt, Sie würden nur das weitergeben, was Sie selbst als Spieler gelernt haben. Was meinen Sie damit?

Mir wurde beigebracht: Es gibt bestimmte Dinge, die nicht interpretierbar sind. Im Angriff gibt es gewisse Freiheiten, die würde ich auch niemals wegnehmen. Bei Schnellangriffen muss man auch mal sagen: Hier ist der Ball, mein Sohn, mach damit, was du willst. Aber wenn Du fünfmal Blödsinn gemacht hast, frage ich auch: Was machen wir hier eigentlich? Und in der Verteidigung wird nicht improvisiert, Punktum.

Inwiefern ist Spaß dabei ein Faktor?

Wie definiert man Spaß? Mir macht es Spaß, immer und immer wieder an Details zu arbeiten, sich als Team gemeinsam zu verbessern. Jedes Mal gewinnen zu müssen, der größte Druck – das ist für mich der größte Spaß. Weil man die Anspannung spürt, weil es keine Wahl gibt. Wir können nicht sagen: Es war nur ein Spiel.

Ist Ihnen bewusst, dass Sie mit Ihren Ansichten polarisieren? Im Internet wird heiß darüber diskutiert, ob Sie der richtige Trainer für Alba sind.

Was soll es bringen, mir den Kopf darüber zu zerbrechen? Andererseits bin ich eine öffentliche Persönlichkeit. Und Alba hat tolle Fans, die auch das Recht haben, sich ein Urteil über unsere Arbeit zu bilden. Seit ich nach Berlin gekommen bin, ist mir klar, dass meine Person manchen Leuten nicht passt. Bei diesen Online-Foren weiß man aber auch nie, wer aus welchen Gründen da etwas schreibt. Am Ende läuft es immer darauf hinaus, dass ich mit meiner Mannschaft gewinnen muss. Wenn wir unsere beiden letzten Saisons mit einem Titel beendet hätten, wäre die Diskussion im Internet eine andere. Oder etwa nicht?

Sie machen es den Fans manchmal nicht leicht, Sie zu lieben. Warum klatschen Sie nach dem Spiel nicht die Zuschauer ab wie es Ihre Spieler tun?

Ein Trainer sollte nicht nach Zuneigung heischen, die Spieler sind die Hauptdarsteller. Ich setzte mich aber gerne mit dem Fanklub zusammen und erkläre stundenlang, wie wir arbeiten.

Das müssten Sie aber wohl auf Englisch tun. Wie sieht es mit Ihren Deutschkenntnissen aus?

Sie sprechen da einen wunden Punkt an. Ich fühle mich schlimm – um nicht zu sagen: dumm –, weil ich mich auch nach drei Jahren in Deutschland noch nicht verständigen kann. Ich habe Unterricht genommen, ich habe es wirklich versucht. Aber ich habe erst nach 22 Uhr Zeit, um Sprachunterricht zu nehmen. Es ist schwer, um diese Zeit einen Lehrer zu finden und sich noch einmal auf etwas ganz anderes zu konzentrieren. Aber das ist eine schwache Entschuldigung. Ich habe es mir jedenfalls jetzt fest vorgenommen.

Was ist mit Ihrer Familie? Ihre beiden Söhne spielen bei Alba in Jugendteams. Fühlen Sie sich in Berlin zuhause?

Meine Söhne verstehen Deutsch sehr gut und sprechen ordentlich, meine Frau lernt die Sprache. Wir sind ein Teil von Berlin, wir lieben diese Stadt. Aber wir sind uns auch über meinen Beruf bewusst. Und wie schnell sich Dinge ändern können.

Bei all Ihren Zipperlein: Würden Sie Ihren Söhnen raten, denselben Weg wie Sie einzuschlagen und Basketballprofi zu werden?

Sicher würden sie gerne Profis werden. Die Frage ist nur, ob sie gut genug sind. Ob du der Sohn eines Trainers bist oder nicht: Du musst nun einmal gut sein.

Das Gespräch führte Lars Spannagel.

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