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Sport: "Meine Erwartung für die WM in Berlin ist sehr hoch" - Ein Gespräch über Jan Ulrich, Doping im Radsport und die Bahn-WM in Berlin

Waren Sie mit Ihren Gedanken bei Jan Ullrich, als vor kurzem die Rad-WM auf der Straße entschieden wurde?Ja, wenn Erfolge auf der Straße eingefahren werden, stärkt das auch den Respekt, der uns Bahnfahrern entgegengebracht wird.

Waren Sie mit Ihren Gedanken bei Jan Ullrich, als vor kurzem die Rad-WM auf der Straße entschieden wurde?

Ja, wenn Erfolge auf der Straße eingefahren werden, stärkt das auch den Respekt, der uns Bahnfahrern entgegengebracht wird.

Was Ullrich auf der Straße ist, sind Sie als Sprinter auf der Bahn: der deutsche Star in der Velo-Szene. Was denken Sie über den Mann vom Telekom-Team?

Was soll ich dazu sagen? Vielleicht erzähle ich einen Gag, der wahr ist: Jan Ullrich musste früher den Mülleimer tragen, weil er immer der Kleine im Internat war.

Beneiden Sie Ihn?

Nein, ich kann nachvollziehen, wenn er sich oft abschirmt. Ich möchte nicht tauschen.

Beneiden Sie ihn auch nicht dafür, dass er viel mehr Geld verdient?

Auf keinen Fall. Wie viele Sportarten werden betrieben, in denen es keine Profis gibt? Insofern bin ich mit meinem Status sehr zufrieden. Nicht wenige Sportler, die mehr Erfolge aufzuweisen haben als ich, sind finanziell garantiert schlechter gestellt.

Das ist Ihre Philosophie in Bezug auf das Leben. Haben Sie sich aus sportlicher Sicht näher mit dieser Philosophie beschäftigt?

Ich habe es versucht, als ich von 1993 bis 1995 ohne WM-Medaillen blieb. Letztlich habe ich mir gesagt: Wenn du es nicht mit der eigenen Muskelkraft schaffst, dann wird es ohnehin nichts. Verinnerlicht habe ich nur, dass nicht ich gegen die anderen gewinnen muss, sondern sie gegen mich.

Ist Ihr futuristisch aussehender Helm, mit dem Sie im Velodrom bei der WM antreten werden, ein Beispiel dafür, wie Sie Psycho-Tricks anwenden?

Ja, aber nur eines. Als Sprinter bin ich vielleicht zehn Minuten auf der Bahn und 59 Stunden daneben. In dieser Zeit versuche ich, eine komplexe Ausstrahlung auf den Gegner zu erzielen.

Sie haben von der Zeit gesprochen, als Sie nicht die großen Erfolg erreichten. Haben Sie schon ans Aufhören gedacht?

Nein, ein vierter Platz bei einer WM war ja nicht blamabel. Meine Erfahrung danach besagte, dass ich nicht wegen einer schlechten Leistung unterlegen war, sondern viel eher eine Übermotivation vorlag. Das alles hat mich eher noch angespornt.

Welche Erwartung ergibt sich daraus für die WM in Berlin?

Sie ist sehr hoch. Bei Olympia und WM war ich jetzt neunmal dabei, und mein schlechtestes Abschneiden im Sprint war ein sechster Rang. Wenn ich davon ausgehe, dass ich 1998 Weltmeister im Keirin und Zweiter im Sprint war, dann ergibt sich daraus schon das Ziel für Berlin. Die Krone stellt der Sprint dar. 1992 und 1996 habe ich zwar bei den Olympischen Spielen gewonnen, aber seit 1991 war ich kein Sprint-Champion mehr.

Und was ist mit der Titelverteidigung im Keirin?

Da kann ich natürlich nicht sagen, dass ich Dritter werden möchte. Andererseits bleibt als Minimalziel: Wo ich an den Start gehe, da möchte ich mindestens eine Medaille gewinnen.

Haben Sie in diesem Jahr in der Vorbereitung auf die WM Dinge getan, die für Sie neu waren?

Ja, wir haben einiges im trainings-methodischen Bereich umgestellt, was ich aber nicht verraten möchte. Dann habe ich mit größeren Gängen trainiert, auch mehr mit dem Motor, also, dass mein Trainer vor mir gefahren ist. Es ging darum, über einen längeren Zeitraum die Maximalleistung zu bringen.

Was meinen Sie, haben die Franzosen um Ihren Hauptkontrahenten Florian Rousseau davon Wind bekommen?

Bestimmt, das sollten sie auch. Mein Bahnrekord bei den Deutschen Meisterschaften, den zuvor Rousseau gehalten hatte, war bestimmt ein Signal. Garantiert hat er das höchstens zehn Stunden später gewusst.

Haben Sie schon einen Trick im Hinterkopf, mit dem Sie Rousseau bezwingen wollen?

1997 habe ich den Franzosen mal mit einem Ausreißversuch überraschen können, obwohl er der Zeitfahrspezialist war. Bei dieser WM in Perth hatte ich am wenigsten drauf, bin letztlich aber durch diese Taktik Vize-Weltmeister geworden. Die Stärke im Kopf war entscheidend.

Haben Sie Aufzeichnungen über die Konkurrenten?

Nein, ich bin eher ein praktischer Typ.

Sind Sie aufgeregt vor so einer Weltmeisterschaft?

Im entscheidenden Augenblick kann ich gut abschalten, bei Musik oder auch einem Buch. Mein Handy ist schon seit drei Wochen aus.

Denken Sie heute schon über Sydney hinaus?

2004 würde ich gerne noch als Aktiver erleben. Ich könnte ja provokatorisch sagen, dass ich etwas anderes auch nicht kann.

Mal im Ernst, wie stellen Sie sich denn Ihre Zukunft ohne den Radsport vor?

Das fällt mir sehr schwer. Momentan möchte ich meinen Kopf damit auch nicht belasten.

Wie ist Ihre Meinung zu den neuen Materialbestimmungen, die ab dem Januar 2000 gelten?

Einerseits ist es der größte Unfug, weil es mich eher langsamer als schneller macht. Andererseits bietet es nicht so gut gestellten Nationen die Chance, besser mithalten zu können.

Welche Meinung vertreten Sie in Sachen Doping im olympischen Bahnradsport, denn bisher spricht man immer nur von Fällen auf der Straße?

Schwarze Schafe gibt es immer. Wichtig ist es, dass gleiche Kontrollen überall - vor allem im Training - durchgeführt werden.

Welche Fragen ergeben sich daraus für Sie?

Für mich ist immer nachdenkenswert, welche Spätfolgen mit all dem verbunden sein können. Das ist für mich bedeutender, als was ein Mensch vom Weltverband auf die Dopingliste schreibt. Wenn ich weiß, dass ich kein Wick Medinight nehmen darf, wenn ich Schnupfen habe, weil ich dann positiv bin, dann ist das Schwachsinn.

Stichwort Epo oder Wachstumshormone . . .

Wo Millionen im Spiel sind, sinkt die Hemmschwelle. Im Bahnradsport ist das kein Thema. Deshalb bin ich froh, in diesem Metier zu sein. Zuletzt wurde ich in Paris kontrolliert. Bei Epo habe ich einen Wert von 44 - ab 50 ist es strafbar.

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