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Tor im wahren Leben. Vor dem Spiel hatte Trainer Jos Luhukay (r.) seinem Problemspieler Adrian Ramos noch dessen alten Tore für Hertha auf Video vorgeführt – die Motivation half. Foto: dpa

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Sport: Meine kleine Selbstbefreiung

Hertha BSC gewinnt 2:0 gegen Aufsteiger Aalen und feiert damit den dritten Sieg in Folge. Adrian Ramos, der erstmals seit März wieder ins Tor traf, wird besonders bejubelt. Er selbst hält sich zurück.

Berlin - Maik Franz und Peter Niemeyer wurden ihrer Aufgabe als Führungsspieler vollauf gerecht. Sie wedelten mit den Armen und trieben ihre Kollegen an, bis auch der letzte sich zur Jubelrunde eingefunden hatte. In ihrer Mitte stand Adrian Ramos, der Rummel und die exzessiven Liebkosungen schienen ihm ein wenig peinlich zu sein. Die Arme hingen schlaff an seinem Körper herunter, jubeln wollte der Bejubelte nicht so richtig – obwohl er mit dem Kopfballtreffer zum 1:0, seinem ersten Pflichtspieltor für Hertha BSC seit dem 24. März, einen wichtigen Beitrag zum 2:0 (0:0)-Erfolg des Berliner Fußball-Zweitligisten geleistet hatte.

Der dritte Sieg in Folge, der höchste der Saison und der erste ohne Gegentor. Den Zahlen nach war es ein schöner Nachmittag, den die meisten der 34 712 Zuschauer im Olympiastadion erlebten. In Wirklichkeit aber erwies sich das Spiel als eher zähe Angelegenheit. Dass der Führungstreffer aus einer Ecke resultierte, kam nicht von ungefähr. Das 2:0 „klingt deutlicher als es war“, sagte Aalens Trainer Ralph Hasenhüttl über das Endergebnis, das Ronny mit seinem dritten Saisontor in der Schlussminute perfekt machte. „Wir haben uns lange richtig ordentlich verkauft.“ Allein, es nützte nichts.

„Mit der Leidenschaft vom Derbysieg, hab ick meene Hertha lieb“, stand vor dem Anpfiff auf einem Transparent der Hertha-Fans in der Ostkurve. Die Beziehungspflege vonseiten der Profis stieß beim Anhang aber nicht auf einhellige Begeisterung. Kurz vor der Pause war aus der Kurve die Aufforderung „Kämpfen, Hertha, kämpfen!“ zu hören. Doch dem Team von Jos Luhukay fehlte es weniger an Leidenschaft als an einer Idee gegen die aufmerksam und entschlossen verteidigenden Aalener, die noch nie vor derart vielen Zuschauern Fußball gespielt hatten.

Hertha attackierte zu Beginn zwar früh, brachte die Aufbauspieler des VfR dadurch immer wieder in Verlegenheit. Doch es zeigte sich schnell, dass das Problem derzeit nicht das Spiel gegen den Ball ist, sondern das mit dem Ball. Spielerisch ging wenig. Allzu viele Chancen sprangen für die Berliner bis zur Pause nicht heraus, auch wenn sie nach einem Foul an Sami Allagui einen Elfmeter hätten bekommen können. Der Ausfall von Peer Kluge, dem Strukturspieler in Herthas Mannschaft, machte sich negativ bemerkbar: Ein durchdachtes Aufbauspiel fand selten statt, gerade im Mittelfeld fehlte es deutlich an Struktur. Oft flog der Ball hoch und weit aus der Abwehr Richtung Sturm – Gefahr entstand dadurch kaum.

Luhukay hatte etwas überraschend Ronny als zweiten zentralen Mann im Mittelfeld aufgeboten. Der Brasilianer begann mit großem Engagement, ließ jedoch schon nach einer Viertelstunde merklich nach. Sein Tor kurz vor Schluss täuschte über einen eher enttäuschenden Auftritt hinweg. Noch überraschender fand sich Roman Hubnik auf der Bank wieder; seinen Platz in der Innenverteidigung übernahm Fabian Lustenberger. Luhukay wollte gegen den defensiven Gegner einen Zerstörer weniger im Team haben, dafür einen Spielmacher in der letzten Reihe, der auch mal ins Mittelfeld vorschiebt. Der Schweizer erledigte den Auftrag zur allgemeinen Zufriedenheit. Genauso wie Peter Pekarik, dem Luhukay bei seinem Debüt „ein ordentliches bis gutes Spiel“ bescheinigte. Der Slowake spielte in der Defensive schnörkellos, beschränkte seine Offensivvorstöße allerdings aufs Nötigste.

Überhaupt wurde Hertha erst zu Beginn der zweiten Halbzeit im Spiel nach vorne zwingender. Die Berliner setzten den VfR stärker unter Druck und kamen dadurch zu Chancen: Sandro Wagner verpasste eine flache Hereingabe von Ronny nur knapp, kurz darauf lenkte er einen Flankenball von Marcel Ndjeng mit dem Oberschenkel am Tor vorbei. Nach einer knappen Stunde reagierte Luhukay. Er nahm den unauffälligen Allagui vom Feld, Ramos rückte aus dem Mittelfeld in den Sturm. Dass der Kolumbianer nur eine Minute später zur Führung traf, hatte jedoch nichts mit dem Positionswechsel zu tun. Das 1:0 resultierte aus einem Eckball Ndjengs, den Ramos unbedrängt einköpfen konnte. Kurz darauf setzte er noch einen Schuss gegen den Pfosten.

Dass der Kolumbianer sich den Jubel über seinen Torerfolg versagte, war vielleicht auch ein stiller Protest gegen einen Teil der eigenen Anhänger, die ihn zuletzt noch ausgepfiffen hatten. Der gestrige Nachmittag könnte für beide Seiten ein Neuanfang gewesen sein. Nach dem Schlusspfiff, bei der Feier vor der Kurve, wurde Ramos von seinen Kollegen in die erste Reihe geschoben. Er klatschte etwas linkisch. Die Fans kamen bei ihren „Adrian Ramos!“-Sprechchören deutlich entschlossener rüber.

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