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Frau mit Geschichte. Sitzvolleyballerin Samantha Bowen.

© Imago/Zuma

Meine  Paralympics: Mission für den Frieden

Bei keinem anderen Sportereignis wird so deutlich, was Krieg, was Gewalt, was sinnloser Terror mit Menschen macht wie bei den Paralympischen Spielen.

Dass unsereins in diesen Breitengraden im Frieden und höchst privilegiert lebt, fiel mir mal wieder auf, als ich jüngst Tipps zum Umgang mit jungen Flüchtlingen las. Man solle damit rechnen, dass bei einem ganz normalen Grill-Picknick Traumatisierungen aufbrechen, da der Geruch einige Jugendliche an verbrannte Menschenkörper erinnert.

Samantha Bowen hatte auch so ein „Flashback“ – sie war mit 21 Jahren als Kanonier bei der Königlich Britischen Artillerie im Irak, als ein Schrapnell ihren rechten Fuß zerschmetterte und sie beinahe verblutete. Mehr als 30 Mörsergranaten hatten die irakischen Truppen nahe der Basis von Bowens Regiment in Al Amara abgefeuert, hatte sie mir am Rande des Sitzvolleyballfeldes bei den Spielen in London erzählt. „In den Albträumen durchlebe ich das dann manchmal noch mal, so als ob alles Wirklichkeit wäre. Ich habe sogar noch den Geruch in der Nase“, von verbranntem Fleisch, Metall und Staub.

Bei keinem anderen Sportereignis wird so deutlich, was Krieg, was Gewalt, was sinnloser Terror mit Menschen macht wie bei den Paralympischen Spielen. Nicht jeder hat das Glück und die Kraft, sich nach einem Trauma wieder in ein halbwegs normales Leben zurück zu kämpfen. Sam Bowen war schon als Soldatin aus South Wales ehrgeizig, und sie ist es auch als Leistungssportlerin.

Doch bei keinem internationalen Wettkampf wäre ein ideelles Team unter der Flagge des Internationalen Paralympischen Komitees für Frieden wichtig wie bei den Paralympics

Bei den jüngsten Paralympics appellierte keiner so leidenschaftlich für Frieden wie der Präsident des ukrainischen paralympischen Komitees, Valerij Suskewitsch. Der Mann mit Sonnenbrille im Rollstuhl hielt in Sotschi 2014 eine Gänsehaut-Rede gegen Krieg zwischen der Ukraine und Russland: „Jeder Mensch hat ein Recht auf Unversehrtheit!“ Mit Wladimir Putin, der unweit als Zuschauer im Schnee applaudierte, kam es in der Ukraine anders. All diese Erinnerungen kommen hoch, wenn ich an die syrische Schwimmerin Yusra Mardini als Mitglied im Team der „Refugee Olympic Athletes“ denke. Auch für die Bundeswehr werden ja Reintegrationsprojekte wie „Help for Heroes“ oder „Battle back“ aus Großbritannien oder den USA wichtiger.

Doch bei keinem internationalen Wettkampf wäre ein ideelles Team unter der Flagge des Internationalen Paralympischen Komitees für Frieden und das Menschenrecht auf Asyl so stimmig und wichtig wie bei den Paralympics in Rio. Daher sollte das IPC so ein Team aufstellen, dachte ich – und las, dass IPC-Sprecher Craig Spence an genau so etwas denkt, nämlich an ein Flüchtlingsteam unter Paralympics-Flagge. Derzeit wisse man aber nichts von körperbehinderten Athleten, die um einen Flüchtlingsstatus ersuchen. 1992 gab es ein „Team Jugoslawien“, für ein Flüchtlingsteam bei den Paralympics sollten die sportlichen und politischen Hürden nun gering sein. Denn das Ziel ist ein international übergeordnetes.

- Die Kolumne "Meine Paralympics" erscheint an jedem ersten Mittwoch im Monat.

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