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Die Paralympics Zeitung war in Sotschi heißt begehrt.

© Thilo Rückeis

Meine Paralympics Zeitung (2): Auf allen vieren durch Menschenmengen

Nachwuchs-Journalisten erinnern sich an ihre Zeit bei der Paralympics Zeitung. Diesmal: Nastja Arinushkina.

Meine Geschichte ist die Geschichte eines durchschnittlichen russischen Mädchens, das vor den Paralympischen Spielen 2014 in Sotschi nichts mit Menschen mit Behinderungen zu tun hatte. Natürlich, habe ich schon gewusst, dass diese Leute in Russland viele Probleme haben und dass ihre Probleme vielleicht lösbar sind. Vielleicht.

Meine Vorstellungen haben sich komplett verändert, als ich bei dem Wettbewerb der „Paralympics Zeitung“ teilgenommen habe. Ich habe erfahren, dass es auch in Russland Sport für Menschen mit Behinderungen gibt, obwohl er kaum finanziert wird. Dass ein Sportler oder eine Sportlerin Medaillen bei internationalen Wettbewerben gewinnen können, aber gleichzeitig nicht immer ohne Hilfe aus dem eigenen Hause raus kommen, weil es auch in Moskau eher selten ideale Bedingungen für besondere Leute gibt. Dass alle diese Menschen – Sportler und die Durchschnittsbürger mit Behinderungen – Hilfe brauchen. Was konnte ich machen? Ich konnte über sie berichten.

Mit etwas Schande muss ich zugeben, dass meine Auffassung des journalistischen Berufs wirklich naiv war. Ich habe mich in dem Pressezentrum gesehen, wo ich leckere Kekse esse und dabei geniale Texte erschaffe. Na ja. Was habe ich tatsächlich gemacht? Ich bin auf allen vieren durch Menschenmengen gekrochen, um eine Chance zu haben, ein Foto aus einer besseren Perspektive zu machen. Ich bin mit einem Polizisten nach Hause gekommen – nicht weil ich ein Gesetz gebrochen hatte, sondern weil ich bis in die tiefe Nacht hinein in Mountain Cluster geblieben bin, also so lange bis die öffentlichen Verkehrsmittel nicht mehr funktionierten. Übrigens habe ich den größeren Teil meiner Artikel auf dem Weg von Sotschi zum Mountain Cluster geschrieben – seht, vom Pressezentrum kann keine Rede sein, keine Zeit dafür. Und auf dem Rückweg nach Sotschi konnte ich endlich mal schlafen. Aber dieser schwierige und abenteuerliche Beruf gefällt mir tausendmal mehr, als sich im Büro zu langeweilen.

In diesem Herbst berichte ich schon für die Deutsche Welle in Bonn

Mein schönstes Erlebnis der Paralympischen Spielen – 2014 ist nach den Spielen selbst geschehen. Und zwar ist es das Ergebnis der Paralympics – obwohl es nicht im engeren Sinn als Erlebnis zählt, bleibt es trotzdem mein schönstes. Darunter verstehe ich nicht die Zahl der Medaillen, sondern wie das Verhältnis der russischen Öffentlichkeit zu Menschen mit Behinderungen sich verändert hat. Vor kurzem habe ich zum Beispiel einen Artikel über Mütter von Kindern mit Behinderungen gelesen, wo eine Mutter sagt: „Zum ersten Mal hat man über uns nach den Paralympischen Spielen in Sotschi gesprochen. Die Zuschauer haben Sportler mit Behinderungen endlich gesehen und sich über ihre Gewinne gefreut. Seitdem bekommen Leute mit Behinderungen in unserem Land immer mehr und mehr Hilfe“. Es bringt ein super tolles und angenehmes Gefühl, dass auch die „Paralympics Zeitung“ und wir, ihre Redakteure, dabei sind, dass wir auch unseren Beitrag zu dieser wichtigen Angelegenheit geleistet ist.

Wie hat der Teilnahme an der Projekt mir weitergeholfen? Die Arbeit bei der „Paralympics Zeitung“ wurde für mich die erste in der Reihe meiner Praktika bei deutschen Medien – und in diesem Herbst berichte ich schon für die Deutsche Welle in Bonn.  Außerdem passe ich jetzt immer darauf auf, ob die Umgebung auch für die Menschen mit Behinderungen zugänglich ist. Nun weiß ich mehr über diese besonderen Leute und hoffe, noch weitere positive Veränderungen in diesem Bereich in Russland sehen zu können.

Nastja Arinushkina

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