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Sport: Meister der Herzen

Nach der Blamage des FC Bayern in Bochum verteilt die Münchner Vereinsspitze vor allem Lob

Bochum. Ein bisschen Lustgewinn wollte Ottmar Hitzfeld dann doch noch aus dem Ruhrgebiet mitnehmen: Mit schmalen Lippen und tiefen Furchen im hageren Gesicht hatte der Bayern-Trainer über die 0:1-Niederlage seines Klubs beim VfL Bochum gesprochen, als ihn der Moderator der Pressekonferenz vorzeitig entlassen wollte, damit Hitzfeld mit seinem Team den Flieger zurück nach München erwischen konnte. „Die fünf Minuten bleibe ich noch“, antworte Hitzfeld lächelnd. „Ich will doch hören, was der Peter zu sagen hat.“ Der Bochumer Trainer, vermutete er, würde garantiert mächtig auftrumpfen. Erstmals hatte eine Mannschaft, die er trainiert, die Bayern besiegt. Doch Neururer, eigener Einschätzung zufolge bester Fußballexperte der Bundesliga, hielt sich auffallend zurück. „Es war ein Sieg der Mannschaft, und ich war dabei.“ Aber Triumph? „Das ist es ganz sicher nicht.“ Allerdings widmete er den ersten Heimsieg des VfL Bochum gegen die Bayern seit 1985 (damals siegte Bochum durch drei Tore von Stefan Kuntz) „unserem Zeugwart Andi Pahl“. Der habe dem Trainer geraten, mit drei Spitzen zu spielen.

Neururer folgte. Er behauptet es jedenfalls, dass der Zeugwart die Taktik bestimmt habe. Die betont offensive Ausrichtung des VfL, die schon früh zum Tor des Tages durch Peter Madsen führte, spricht einerseits für das gewachsene Selbstbewusstsein der Bochumer, sie dokumentiert aber auch, wie verwundbar der Rekordmeister aus München zurzeit ist. Längst hat der teuerste Bayern-Kader aller Zeiten seinen Schrecken verloren. Was die Mannschaft in der ersten Hälfte bot, war erbärmlich.

Deswegen beschränkten sich die Bayern darauf, ihre Leistung in der zweiten Hälfte zu kommentieren und zu loben. Da hatte das Team von Ottmar Hitzfeld endlich angefangen, zu kämpfen und sich zu wehren. Die Bayern erspielten sich Chancen, sie wollten unbedingt den Ausgleich. Doch fast alle Versuche endeten beim hervorragenden Bochumer Torhüter Rein van Duijnhoven, der mit gebrochenem Mittelfinger einen neuen Vereinsrekord aufstellte: 654 Minuten in Folge ohne Gegentor – das hat im Ruhrstadion noch kein Torhüter geschafft. Und wenn der Holländer doch mal ausnahmsweise machtlos war, „dann haben wir nicht konzentriert genug gespielt“, sagt Bayern-Jungprofi Sebastian Schweinsteiger, der den gesperrten Michael Ballack im Münchner Mittelfeld nie vollwertig ersetzen konnte.

Und so stand der Favorit nach dem Schlusspfiff ohne Punktgewinn da. Üblicherweise explodieren in solchen Situationen fanatisch ehrgeizige Menschen wie Bayern-Torhüter Oliver Kahn und -Manager Uli Hoeneß. Doch beide verblüfften die Zuhörer in Bochum mit einer bemerkenswerter Friedfertigkeit. Nach der ersten Niederlage der Bayern im Ruhrstadion seit 19 Jahren fanden sie nichts als lobende Worte für das erfolglose Anrennen von zehn hoch dotierten Nationalspielern aus neun Ländern. Hoeneß hatte in der zweiten Hälfte „die beste Leistung in einem Auswärtsspiel dieser Saison“ gesehen und kam zu der verblüffenden Erkenntnis, so sei ihm „um den Gewinn der Meisterschaft nicht bange“. Und Kahn vermeldete kühl, der Mannschaft sei „kein Vorwurf“ zu machen: „Wir haben alles probiert, aber es hat nicht geklappt.“ Es sei nicht angebracht, „jetzt zu überziehen und in große Kritik zu verfallen“.

In Wahrheit ist die Lage sehr viel dramatischer, als sie von den Meinungsmachern der Bayern dargestellt wird: Wenn es tatsächlich wahr ist, dass die Bayern in Bochum alles gezeigt haben, muss die Frage nach den internationalen Perspektiven gestellt werden. Null Tore trotz verzweifelten Sturmlaufs bei den kleinen Bochumern: Was soll da erst auf die Bayern zukommen, wenn die Stars von Real Madrid kommen? Für Bayern ist nämlich die Champions League immer noch das Maß aller Dinge.

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