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Duscher-Meister. Nach dem Sieg im entscheidenden fünften Finalspiel bespritzen sich die Spieler der Volleys mit Sekt und halten die Meisterschale hoch. Foto: dapd

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Sport: Meister der Nerven

Die Berlin Volleys siegen in einer dramatischen Schlussphase 3:2 in Haching und holen den Titel.

Scott Touzinsky benötigte eine Sekunde, bis er die ganze Szene begriffen hatte. Der Ball lag auf dem Boden, hinter dem Netz von Haching, es war der entscheidende Punkt, der verwandelte Matchball. Als der Außenangreifer Touzinsky das verstanden hatte, rannte er los, den Zeigefinger in die Luft gereckt. Er lief eine Kurve zu den jubelnden Fans der Berlin Volleys, während Libero Martin Krystof strahlend in die Arme von Mittelblocker Felix Fischer hüpfte. Zwei Sekunden später waren die beiden von einem halben Dutzend weiterer Spieler der Volleys umringt, und auf diese Spielertraube warf sich Mark Lebedew, ausgerechnet Lebedew, der stoische Trainer der Volleys. Aber nicht mal Lebedew bleibt stoisch, wenn er mit seinem Team gerade Deutscher Meister geworden ist. Die ganze Anspannung musste raus.

Seit Sonntag kurz vor 18 Uhr sind die Berlin Volleys Deutscher Volleyball-Meister. Der vierte Meistertitel der Berliner nach 1993, 2003 und 2004. Damals triumphierte der SC Charlottenburg, der Vorgänger der Volleys. Dieser vierte Titel war der Lohn für ein nervenaufreibendes Spiel. 3:2 (31:29, 22:25, 21:25, 25:18, 16:14) hatten sie im entscheidenden fünften Finalspiel Gastgeber Haching besiegt. 60 Zuschauer jubelten wie wild, sie schwenkten Fahnen der Berlin Volleys, die restlichen Fans unter den 1512 Zuschauern auf den Rängen der Unterhachinger Sportarena aber verfolgten wie gelähmt diese Szenen. Sie hatten einen Höllenlärm veranstaltet, mit Klatschpappen, Trommeln, mit ihrer Lungenkraft, sie waren mit einem phantastischen Finalspiel belohnt worden. Aber nicht mit einem Sieg ihrer Mannschaft. „Aber so, mit einer solchen Atmosphäre, mit einer solchen Dramatik muss ein Finalspiel sein", sagte Touzinsky.

Im fünften Satz bündelte sich diese ganze Dramatik. Haching hatte einen Ball, klar erkennbar, ins Aus geschlagen. Der Schiedsrichter gab trotzdem den Punkt für die Gastgeber, es stand 14:12, Matchball für Haching. Der Lärm schwoll Richtung Schmerzgrenze an. Und neben dem Feld hatte Volleys-Manager Kaweh Niroomand in dieser Sekunde „mit dem Spiel abgeschlossen“. Aber die Volleys verkürzten auf 13:14, und dann absolvierte Touzinsky „den besten Block meines Lebens“. Punkt zum 14:14, noch ein Matchball abgewehrt, die Enttäuschung der Haching-Fans war nachgerade körperlich spürbar. Und die Hachinger Spieler waren kurzzeitig mit dieser Wende mental überfordert. Nicht lange, aber es reichte, damit die Volleys ihren Matchball verwandeln konnten.

Fünf-Satz-Sieg mit zwei Punkten Vorsprung, „das war genau das Ergebnis, mit dem wir vor dem Spiel in der Kabine gerechnet hatten, kein Witz“, sagte Volleys-Mittelblocker Ricardo Galandi. „Wir haben echten Teamgeist entwickelt. Das hat uns geholfen.“ Sein Oberkörper steckte in einem schwarzen T-Shirt mit dem Aufdruck „Deutscher Meister 2012“. Fünf Minuten nach dem Triumph waren die Shirts hektisch an die Spieler verteilt worden. Die Klamotten waren vorproduziert. Man ist ja Optimist.

Diese Szene zum 14:12 im fünften Satz, als Touzinsky hektisch mit dem Zeigefinger auf den Punkt zeigte, an dem Ball gelandet war, als sich Außenangreifer Björn Höhne fast nicht mehr beruhigen wollte, als auch Mittelblocker Tomas Kmet den Schiedsrichter bearbeitete, bis der zu schreien begann, den nimmt Touzinsky symbolisch für die Erfolgsgeschichte dieser Mannschaft: „Wir haben uns auch in dieser Sekunde nicht aus dem Rhythmus bringen lassen. Das hat uns schon die ganzen Play-offs ausgezeichnet.“ Deshalb dürfen die Volleys in der nächsten Saison auch in der Champions League antreten.

Es war ein Duell zweier hochklassiger Mannschaften. Haching spielte viel aggressiver als noch am vergangenen Dienstag in der Schmeling-Halle, aber Berlin hatte starke Szenen im Block, Diagonalangreifer Paul Carroll zeigte eine überragende Leistung. Die Feldabwehr beider Mannschaften war exzellent, die Ballwechsel zeitweise so spektakulär, dass der Hallensprecher immer wieder „Wahnsinn“ brüllte.

„Morgen“, brummte Trainer Lebedew später gönnerhaft lächelnd, „gebe ich den Jungs frei.“

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