zum Hauptinhalt

Sport: Meister der Selbstverbesserung

Rafael Nadal gewinnt zum ersten Mal die US Open, weil es ihm gelingt, sein Spiel den Bedingungen in Flushing Meadows anzupassen

Es passiert nicht oft, dass John McEnroe zugibt, er habe sich geirrt. Der amerikanische Altstar in Dauerdiensten der Fernsehsender und gefragter Experte hatte sich zu Beginn der US Open noch gegen Rafael Nadal als möglichen Champion ausgesprochen. Dem Spanier fehle die Form nach einer erneuten Behandlung der lädierten Knie, meinte er, zudem sei Nadals Spiel nicht gut genug, um sich auf dem schwierigen Hartplatz von Flushing Meadows durchzusetzen. Mit dieser Annahme stand McEnroe nicht alleine da, doch er musste sein Urteil kleinlaut revidieren: „Ich habe seine Fähigkeit, sich zu verbessern, völlig unterschätzt.“

Mit dieser Gabe hatte Nadal alle eines Besseren belehrt. Er genoss es sichtlich, als er die silberne Trophäe unter dem tosenden Jubel der knapp 24 000 Zuschauer gen New Yorker Nachthimmel reckte. „Das ist mehr, als ich mir je erträumen konnte“, sagte der 24-jährige Spanier bewegt. Der Sieg bei den US Open war das letzte Puzzlestück, das ihm in seiner Sammlung noch fehlte, und Nadal hatte alles daran gesetzt, es endlich zu bekommen. Nie zuvor war er nach monatelangem Turnierstress fit in Flushing Meadows angereist, doch dieses Mal hatte Nadal alles diesem Ziel unterworfen. Er streute in dieser Saison mehr Pausen ein und sogar schwaches Abschneiden bei den Vorbereitungsturnieren nahm er in Kauf, um nicht wie im Vorjahr seinen Körper zu überfordern. Damals brachte ihm sein übertriebener Ehrgeiz während der US Open eine Bauchmuskelzerrung ein.

Nadal hat gelernt, in jeder Hinsicht. Er war sich bewusst, dass die Bedingungen beim letzten Grand Slam der Saison die schwersten für ihn sind. Weder Ball noch Boden nehmen seinen sonst so gefürchteten Spin richtig an, zudem war Nadals Aufschlag für den Belag stets zu schwach. „Mir war klar, dass ich mich verbessern muss, wenn ich hier einmal gewinnen will“, sagte Nadal, „das habe ich mir immer und immer wieder gesagt.“ Und er arbeitete mit seinem Trainer und Onkel Toni Nadal akribisch daran, die Schwächen auszumerzen. Woche für Woche, in jedem Training.

Mit der Rückhand bietet ihm der neu erlernte Slice jetzt mehr Variationen. Nadal veränderte aber vor allem seinen Griff sowie die Schlägerhaltung beim Aufschlag, bekam so sein kippeliges Handgelenk unter Kontrolle und verbesserte seine Quote und das Tempo immens. Das Risiko, das Nadal mit diesen Veränderungen einging, zahlte sich aus. „Wenn ich weiter so aufschlagen kann wie während dieses Turniers, könnte das meine Karriere entscheidend verändern“, sagte Nadal. Doch schon in New York kam diese eine bedeutende Wende, hatte er doch zu Roger Federer aufgeschlossen. Zwar war Nadals erster US-Open-Titel erst sein neunter Grand-Slam-Triumph, doch mit ihm machte der Weltranglistenerste seinen Karriere-Slam perfekt. Das bedeutet, er hat jedes der vier prestigeträchtigsten Turniere mindestens einmal gewonnen. Nur sieben Spieler zählen zu diesem elitären Zirkel, in der sogenannten Open Era schafften das nur Andre Agassi und im letzten Jahr eben Federer. Zudem war es seit Rod Laver 1969 niemandem mehr gelungen, in einer Saison die French Open, Wimbledon und die US Open zu gewinnen.

Nachdem es stets Federer war, der Jagd auf die Rekorde machte, ist es nun Nadal, der Geschichte schreibt. Und die Art, mit der er in Flushing Meadows auftrat, lässt kaum mehr Zweifel daran, dass sein Siegeszug weitergehen könnte – sofern sein Körper es zulässt. Derzeit jedenfalls spielt Nadal in einer eigenen Sphäre.

So auch im intensiven und hochklassigen Finale gegen den Serben Novak Djokovic, der sich mit 4:6, 7:5, 4:6 und 2:6 nach fast vier Stunden Spielzeit und einer zweistündigen Regenunterbrechung geschlagen geben musste. Es war der härteste Test im Turnierverlauf, der Nadal eine moderate Auslosung beschert hatte. So war er ohne Satzverlust und mit nur zwei kassierten Breaks in sein erstes US-Open-Endspiel eingezogen. Hier zeigte Nadal jedoch seine Meisterleistung, und auch Djokovic musste anerkennen: „Rafa ist jetzt ein kompletter Spieler. Ich habe ihn nie besser auf einem Hartplatz spielen sehen. Er hat jetzt die Fähigkeiten, der beste Spieler aller Zeiten zu werden.“ Diese Ehre galt seit seinem Rekord von 16 Grand-Slam-Siegen in der allgemeinen Wahrnehmung eigentlich Roger Federer. So sieht es auch Nadal: „Es wäre dumm, mich mit Roger zu vergleichen. Man braucht doch nur die Titel zu zählen.“ Er sei noch weit entfernt von diesen Dimensionen und auch gar nicht sicher, ob er diese je erreichen werde: „Vor zehn Monaten hieß es noch, ich käme nie wieder, jetzt bin ich auf einmal der Beste aller Zeiten – die Wahrheit liegt doch wohl irgendwo in der Mitte.“

Die Demut ist Nadals Vorteil. Und der bedingungslose Wille, ständig weiterzulernen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false