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Sport: Mercedes fährt die langsame Taktik

Kimi Räikkönen ist scheu, David Coulthard abgeklärt – das Warten auf den neuen McLaren macht beide nervös

Nürburgring. Einmal hat Kimi Räikkönen gelächelt. Ganz kurz nur, aber immerhin, er hat Emotionen gezeigt. Es ging ausnahmsweise nicht um die Frage nach dem neuen Auto, und warum es denn immer noch nicht da ist. Der Finne wurde gefragt, was ihn von Michael Schumacher unterscheide und prompt hatte er diesen für ihn unglaublichen Gefühlsausbruch, dieses Lächeln. Die Antwort war dann aber wieder typisch für ihn: „Wir sind in unterschiedlichen Teams, die Technik unserer Fahrzeuge unterscheidet sich.“ Der Rest war beim besten Willen nicht mehr zu verstehen, denn Kimi Räikkönen wurde von Wort zu Wort leiser, als hätte er nur einmal eingeatmet und am Ende keine Luft mehr für eine Aussage.

Scheu und verkrampft wirkt Räikkönen, wenn er mehreren Gesprächspartnern gegenübersitzt. Erst in einem Vier-Augen-Gespräch wird er etwas konkreter – wenn auch nicht unbedingt lauter. „Natürlich hat Michael viel mehr Erfahrung in WM-Titelkämpfen. Und Erfahrung hilft immer. Ich hoffe nur nicht, dass sie ihm so sehr hilft, auch in diesem Jahr zu gewinnen.“ McLaren-Mercedes hat den 23-Jährigen auch nicht verpflichtet, damit er große Reden hält, er soll nur eines: schnell fahren, einen Tick schneller als alle anderen in der Formel 1. Das allerdings kann er mit der Erfahrung von gerade einmal 42 Grand-Prix-Starts fast perfekt. „Wir setzen absolut auf Kimi“, sagt Mercedes-Sportchef Norbert Haug. Wer wie Räikkönen in dieser Saison schon einen Sieg, vier zweite Plätze und einen dritten Platz erreichte, der kann sich auch einmal einen Fehler erlauben. Räikkönen, der vor dem neunten WM-Lauf nur drei Punkte hinter Michael Schumacher liegt, ist die Zukunft von McLaren-Mercedes.

Auf David Coulthard trifft dies nicht zu. Dessen angeblich erfolgte Vertragsverlängerung für ein weiteres Jahr wurde zunächst dementiert. Der Schotte mit dem Image des ewigen Zweiten, der auf dem Nürburgring seinen 150. Grand Prix fahren wird, besiegt seinen Teamkollegen außerhalb der Rennstrecke aber um Längen. Der Vize-Weltmeister von 2001 tritt meist im feinen Zwirn auf, beantwortet Fragen korrekt und freundlich. Nur wenn es um den neuen McLaren geht, wird auch Coulthard ein bisschen leiser.

Eigentlich sollten Räikkönen und Coulthard schon beim Großen Preis von Europa am Sonntag auf dem Nürburgring mit einem neuen Silberpfeil ihr Können demonstrieren. Das ist jenes Fahrzeug, von dem schon Wunderdinge verbreitet wurden. Aber daraus wird nichts. Norbert Haug sagt, warum der unter den Formel-1-Technikern nur MP4-18 genannte Bolide frühestens beim übernächsten Rennen in Silverstone am Start stehen kann: „Zunächst einmal haben uns zwei Unfälle bei den Tests gestoppt. Dann hat das Auto auch den Vier-Seiten-Aufpralltest nicht bestanden.“ Das Fahrzeug wurde, mit einer Testpuppe besetzt, mit 14 Metern pro Sekunde frontal gegen eine Wand gefahren, und die Folgen waren katastrophal. Die Sicherheit des Fahrers wäre im Ernstfall nicht gewährleistet gewesen. „Beim nächsten Mal schaffen wir das“, sagt Haug, der sich gegen das Wort „Sicherheitsrisiko“ wehrt: „Das passierte anderen auch schon.“ Auf die Frage nach einem möglichen Zeitverlust für die Saison 2003 antwortet Haug: „Für diese Saison haben wir ein spätes Auto, für die nächste eben ein frühes.“ Da es in der Formel 1 zwischen dem 21. Juli und dem 1. September ein Testverbot gibt, kommt das britisch-deutsche Team aber in Zeitnot.

Erstes Ziel von McLaren-Mercedes ist es unter diesen Vorzeichen, Michael Schumacher und Ferrari in den WM-Wertungen nicht zu weit davonziehen zu lassen. „Alles, nur keinen Ausfall“, heißt Haugs Order, der auch in Silverstone lieber noch einmal das alte Auto einsetzt, „wenn das neue nicht die Tests problemlos durchgestanden hat“. Die Taktik der kleinen Schritte, der parallelen Entwicklung von zwei Autos, ist bisher bei McLaren-Mercedes aufgegangen. Nur, weitere schlechte Nachrichten von den Silbernen dürften Ferrari und Michael Schumacher zusätzlich motivieren.

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