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Gesunkener Stern. Ross Brawn und Mercedes arbeiten nicht mehr zusammen.

© dpa

Mercedes-Teamchef Ross Brawn: Der Kapitän kann fischen gehen

Mercedes trennt sich von Ross Brawn – Michael Schumachers Superhirn war zu sehr Tüftler und zu wenig Formel-1-Teamchef. Wie es mit Brawn weitergeht, ist noch unklar. Aber der Brite hat durchaus Optionen.

Von Christian Hönicke

Ende 2012 hatte Ross Brawn schon etwas geahnt. „Vielleicht gehe ich ja nächstes Jahr fischen“, hatte der Brite gesagt, als man ihn angesichts heftiger Umwälzungsprozesse im Formel-1-Team Mercedes nach seiner Zukunft gefragt hatte. In dieser Saison hatte Brawn dann doch keine Zeit für sein Hobby Hochseeangeln, er saß noch am Mercedes-Kommandostand. Doch nun könnte seine Prophezeiung wahr werden. Am Donnerstag gab Mercedes bekannt, dass Brawn künftig nicht mehr als Teamchef für den Rennstall arbeiten wird. Ob es für den 59-Jährigen im Rennsport weitergeht, blieb unklar – die einseitige Mitteilung könnte gar das Karriereende einer Fahrerlager-Institution gewesen sein.

1976 hatte Brawn, zuvor Messtechniker bei der britischen Atomenergiebehörde, seine Formel-1-Karriere begonnen. Zunächst als Mechaniker, dann als Aerodynamiker und Chefkonstrukteur und schließlich als Technischer Direktor bei Benetton. Dort traf er 1991 auf Michael Schumacher. Der bullige Brite und der ehrgeizige Deutsche bildeten fortan eine der erfolgreichsten Partnerschaften der Motorsportgeschichte. Bei 88 der 91 Siege Schumachers und allen sieben WM-Titeln zog Brawn im Hintergrund die Strippen, erst bei Benetton, später bei Ferrari. Aerodynamik, Rennstrategien, taktische Finten, das war das Spezialgebiet des Mannes, den sie das Superhirn nannten. Dieses Balancieren im technischen Grenzbereich beherrschte Brawn wie kaum ein anderer, oft schrammte der geniale Tüftler haarscharf am Regelbruch vorbei.

Als Teamchef funktionierte Superhirn Ross Brawn nicht einwandfrei

Nachdem Brawn das insolvente Honda-Team 2009 für einen Pfund übernommen hatte, musst er sich notgedrungen erstmals auch als Rennstallchef verdingen. Gleich in dem Jahr gelang ihm sein größter Coup, weil er mit dem Doppel-Diffusor am Unterboden eine Lücke im Regelwerk ausnutzte. Trotz der Proteste der Konkurrenz wurde sein Pilot Jenson Button so im Brawn-Auto Weltmeister.

Dennoch, als Teamchef funktionierte das Superhirn nicht ganz so super. Zu nett, zu nachgiebig für diese Position sei er, erzählte man sich. Das wurde nach dem Verkauf seines Teams an Mercedes immer deutlicher. Am Ende stolperte er ausgerechnet über seinen einstigen Lieblingsschüler. Brawns Plan, den alten Kumpel Schumacher aus dem Ruhestand zurückzuholen und die alten Erfolge mit dem Mercedes-Stern auf der Motorhaube zu wiederholen, ging nicht auf. Konzernleitung und Betriebsrat wurden angesichts der immensen Kosten des Formel-1-Engagements immer ungeduldiger, und das Duo Brawn/Schumacher rückte in die Schusslinie. Lange, zu lange hielt der Chef seinem Lieblingspiloten die Treue. Als er sich schließlich doch von ihm lossagen wollte, war es schon zu spät.

Wohin zieht es nun Ross Brawn?

Schumachers Abschied nach drei ertragsarmen Jahren läutete einen Dominoeffekt ein, dem kurz darauf Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug und nun auch Brawn zum Opfer fallen sollten. Haugs forscher Nachfolger Toto Wolff wollte ihn als Vertreter des Ancien Regime ohnehin eher früher als später absetzen, auch beim neuen Aufsichtsratschef Niki Lauda fiel er im Zuge der Stallorderaffäre von Malaysia in Ungnade. Der Erfolg in diesem Jahr mit Platz zwei in der Konstrukteurs-Wertung nützte ihm nichts mehr – intern war er schon seit Mai quasi entmachtet, als ihm der Technische Direktor Paddy Lowe von McLaren vor die Nase gesetzt wurde. Der Brite soll künftig in einer Doppelspitze mit Wolff das Team führen.

Offiziell wurde Brawns Demission dennoch als freiwilliger Akt verkauft. „Es ist klar, dass man jemanden nicht aufhalten kann, wenn er sich dazu entschlossen hat, zu gehen“, wurde Lauda zitiert, der laut Mercedes „vergeblich versucht“ habe, Brawn zum Bleiben zu bewegen.

Und wohin zieht es nun Ross Brawn? Die Spekulationen reichen von Williams über Ferrari bis hin zu McLaren, wo der Formel-1-Rückkehrer Honda ab 2015 die Motoren liefert. Und wenn es nichts mehr wird mit der Formel 1? Sorgen um Ross Brawn muss man sich jedenfalls nicht machen. Ein Platz auf einem Boot wird sich schon finden lassen.

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