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Merkwürdige Heide: Hier soll es nur um Fußball gehen. Ausgelassenheit auf der Tribüne im Stadion der Freundschaft.

© dpa

Michael Feichtenbeiner im Visier: Spitzel-Affäre bei Energie Cottbus

Wurde auf den früheren Sportdirektor von Energie Cottbus, Michael Feichtenbeiner, ein Privatdetektiv angesetzt? Verwickelt in die Aktion soll ein Klub-Verantwortlicher sein, um den es schon Ärger gibt.

Dem FC Energie Cottbus droht eine Spitzel-Affäre. Dass Trainer oder Manager plötzlich gefeuert werden, dass es auch jenseits der Plätze hart zur Sache geht, gehört im Profifußball zum Alltag. Doch Brandenburgs einziger Zweitligist gerät nun in Verdacht, in einem solchen Konfliktfall vor zweifelhaften Methoden nicht zurückzuschrecken. Nach Tagesspiegel-Recherchen wurde der frühere Cottbuser Sportdirektor Michael Feichtenbeiner im Sommer 2010 vor seiner Entlassung observiert und auf ihn ein Privatdetektiv angesetzt.

Verwickelt in die unappetitliche Geschichte ist ein Energie-Verantwortlicher, um den es schon Ärger gibt: André Waiß, Sicherheitsbeauftragter des Klubs. Der frühere Polizist ist mit seiner Firma „Ostdeutscher Sicherheitsdienst“ zugleich für den Ordnerdienst im Stadion der Freundschaft zuständig. Energie steht seit geraumer Zeit in der Kritik, zu spät und nicht konsequent gegen Rechtsextreme aus der Fan-Gruppierung „Inferno“ vorzugehen, was Präsident Ulrich Lepsch strikt zurückweist. Seit Ende März ermittelt zudem die Staatsanwaltschaft gegen Waiß wegen Korruptionsverdacht. Firma und Wohnhaus wurden durchsucht. Ein befreundeter Polizist, so hatte das RBB-Magazin „Klartext“ aufgedeckt, durfte längere Zeit privat Oberklasse-Wagen aus der Firmenflotte von Waiß fahren.

Brisant ist auch, dass der Kriminalkommissar als „operativer Fahnder“ in einem speziellen Milieu eingesetzt war, das aus gewaltbereiten Energie-Hooligans, Neonazis, kriminellen Rockern und Kickboxern besteht. Einst waren das eher getrennte oder sogar rivalisierende Szenen, die inzwischen aber besonders im Süden Brandenburgs vielfältig miteinander verwoben sind, und es gibt Hinweise auf Verbindungen zum Sicherheitsgewerbe, was Polizei und Landesverfassungsschutz mit Sorge registrieren. Bei den Ermittlungen gegen den Polizisten wird laut Innenminister Dietmar Woidke (SPD) auch ein möglicher „Verrat von Dienstgeheimnissen“ geprüft. Energie sieht indes keinen Anlass für Konsequenzen gegenüber Waiß, und sein Anwalt Peter-Michael Diestel sagt: „Es wird sich herausstellen: Es ist nichts dran.“

Nun wird publik, dass Sicherheitschef Waiß offenbar einem Energie-Funktionär hinterher spionieren ließ: Michael Feichtenbeiner, ein Schwabe, Jahrgang 1960, der im Jahr 2009 als Sportdirektor zu Energie kam, mit einem Zwei-Jahres-Vertrag. Feichtenbeiner hatte bald einen schweren Stand. Es gab Spannungen mit Trainer Claus-Dieter Wollitz, die im Frühsommer 2010 zu eskalieren begannen. Es waren die Wochen vor Feichtenbeiners 50. Geburtstag, den er am 9. Juli 2010 mit Familie und Weggefährten in Stuttgart feiern wollte. Kurz vorher spitzten sich die Konflikte zu. Wie später im arbeitsrechtlichen Verfahren bekannt wurde, hatte Energie Feichtenbeiner sogar beantragten Urlaub abgelehnt, trotz spiel- und trainingsfreier Sommerzeit, obwohl derlei Präsenzpflichten ungewöhnlich sind. Feichtenbeiner, der als ruhiger, sensibler Typ gilt, wurde krank. In Cottbus ging ein ärztliches Attest ein.

Was dann passiert sein soll, offenbart drei Jahre danach ein Mann, der persönlich beteiligt war. „Herr Waiß hat mir damals den Auftrag erteilt, kompromittierende Beweisfotos zu machen, dass Herr Feichtenbeiner seinen 50. Geburtstag feiert“, berichtet Ralf Peter Stimmer, ein früherer Geschäftspartner. Er hatte eine Sachkundezulassung für das Detektiv- und Sicherheitsgewerbe bei der Industrie- und Handelskammer, wie er sagt. Heute betreibt er eine private Jobvermittlungs-Agentur in Cottbus. Nach seiner Schilderung ist er im Juli 2010, am Tag vor dem Endspiel der Fußball-WM, gemeinsam mit dem engen Waiß-Mitarbeiter Ramiro L. tatsächlich zu dem christlichen Vereinsheim am Rande von Stuttgart gefahren, quer durch die Republik, mehr als 600 Kilometer entfernt. „Herr Waiß hatte extra dafür bei Europcar ein unauffälliges Auto gemietet, ohne Cottbuser Kennzeichen“, schildert Stimmer.

Energie zahlte eine Abfindung von 60.000 Euro an Feichtenbeiner

Bespitzelt auf seinem 50. Geburtstag? Cottbus' ehemaliger Sportdirektor Michael Feichtenbeiner.
Bespitzelt auf seinem 50. Geburtstag? Cottbus' ehemaliger Sportdirektor Michael Feichtenbeiner.

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Waiß, mit einem anderen Wagen angereist, sei persönlich ebenfalls vor Ort gewesen. „Er hat den Einsatz koordiniert“, sagt Stimmer. „Wir haben das Vereinshaus einige Stunden observiert.“ Als Feichtenbeiner erschien, sei er hinein, habe Fotos geschossen. Er sei dort zur Rede gestellt worden, man habe die Herausgabe der Fotos verlangt. Als er verschwand, seien ihm zwei Männer gefolgt. „Ich wurde fast erwischt. Es hat noch eine wilde Verfolgungsjagd quer durch Stuttgart gegeben.“ Heute bedauert Stimmer, dass er bei der Observierung Feichtenbeiners mitmachte, deren Zweck ihm erst später klar geworden sei. „Die Art und Weise, wie der Verein mit Herrn Feichtenbeiner umging, um ihn billig loszuwerden, ist eine Riesensauerei. Man kann es auch als Mobbing bezeichnen.“ Waiß und Ramiro L. hätten ihm später erzählt, dass die Order für die Aktion von Energie-Präsident Lepsch gekommen sei, sagt Stimmer. Ein Vorwurf, den Waiß zurückweisen lässt, über seinen Anwalt Diestel: „Herr Waiß kann sagen, dass er weder vom Präsidenten, noch von einem anderen hochrangigen Vertreter des Vereins einen solchen Auftrag erhalten hat.“ Ansonsten schweigt Waiß, will sich auch zu Einzelheiten nicht äußern. „Herr Waiß hat ein Unternehmen, das auch detektivische Recherchen anbietet. Das ist legitim, das ist eine Dienstleistung“, sagt Diestel. „Und über Mandanten redet man nicht, mit Journalisten schon gar nicht.“

Tatsächlich wurde Feichtenbeiner vom FC Energie nur wenige Tage nach der Überwachungs-Aktion fristlos entlassen, was der Verein auch öffentlich mit dem Vorwurf der Geburtstagsfeier während einer Krankschreibung begründete. Der Prozess vor dem Arbeitsgericht in Cottbus endete mit einem Vergleich: Feichtenbeiner, der über seinen Anwalt eine kurze Teilnahme an der Feier nicht bestritt, verließ den Klub. Energie zahlte eine Abfindung von 60.000 Euro, kam damit vergleichsweise günstig davon.

Dass man dem eigenen Sportdirektor nachschnüffelte, will man bei Energie nicht bestätigen. Es sei „wohl ein Scherz“, dass man jetzt mit „Herrn Feichtenbeiner um die Ecke kommt“, erregt sich Präsident Ulrich Lepsch, der auch Chef der regionalen Sparkasse ist, am Telefon. „Ich gebe dazu keine Auskunft. Das alles ist Jahre her, ich kann mich nicht erinnern.“ Beide Seiten hätten sich damals auf eine Trennung geeinigt. Lepsch versichert: „Das ist ganz lauter gelaufen.“ Während der Präsident dann mit den alten Vorwürfen nachlegt („Ein Sportdirektor macht krank und feiert. Das ist doch schrecklich“), lässt er auf den Sicherheitsbeauftragten nichts kommen. Zu den Korruptions-Ermittlungen gegen Waiß sagt er: „Da wird vieles verdreht.“ Der „frühere Polizeipräsident“ etwa, der ein „guter Bekannter“ von Waiß sei, könne dies untermauern. Im Übrigen habe Waiß sogar Kanzler Helmut Kohl bei einem Auftritt in Cottbus beschützt.

Energies Sicherheitsbeauftragter André Waiß.
Energies Sicherheitsbeauftragter André Waiß.

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Für Michael Feichtenbeiner war die Erfahrung mit dieser Cottbuser Energie hingegen traumatisch. Mit einem Verein, der hohe Ansprüche propagiert, eine „Mission“ hat, die auf der Homepage so erklärt wird: „Der FC Energie Cottbus spiegelt das Lebensgefühl der Menschen, seiner zahlreichen Anhänger und steht dabei gleichermaßen für Heimatverbundenheit und Internationalität und Toleranz, maximalen Leistungsanspruch und Fairplay.“

Feichtenbeiner, der danach ins Ausland ging, Indonesien, Schottland, möglichst weit weg, ist heute Sportdirektor beim Drittligisten SV Wehen Wiesbaden. Er bestätigt auf Anfrage die damaligen Geschehnisse rund um seinen 50. Geburtstag, auch die Szenen am Vereinsheim in Stuttgart, will sich dazu aber öffentlich nicht äußern. „Das Kapitel Energie Cottbus und das unerfreuliche Ende habe ich persönlich zu den Akten gelegt“, sagt Feichtenbeiner. „Es ist zum Glück vorbei.“

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