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Noch fährt Schumacher in seinem silbernen Mercedes hinter Alonsos Ferrari. Doch am Ende des Rennens sollte er noch einmal Vollgas geben.

© AFP

Michael Schumacher: Der alte Fuchs sieht grün

Die Formel 1 diskutiert weiter über die Schuldfrage, eines aber steht fest: Mit dem Manöver in Monaco hat sich Schumacher endgültig zurückgemeldet.

Von Christian Hönicke

Während Mark Webber und Sebastian Vettel in das schmutzige Hafenwasser sprangen, erlebte Michael Schumacher eine Zeitreise. Die beiden Red-Bull-Piloten feierten am Sonntag ihren Doppelsieg beim Formel-1-Rennen in Monaco und die punktgleiche Eroberung der WM-Spitze auf die feuchtestmögliche Weise. Der Mercedes-Fahrer Schumacher dagegen musste sich nach seinem Überholmanöver in der letzten Kurve gegen Fernando Alonso zeitgleich der staubtrockenen Regelkunde widmen.

Sein Lehrer war kein Geringerer als sein alter Rivale Damon Hill. „In dieser Situation fühlte ich mich etwas unwohl“, sagte Hill laut „Daily Express“. „Ausgerechnet ich sollte über einen eventuellen Regelverstoß von Michael Schumacher urteilen.“ Mit Hill hatte Schumacher schon in den Neunzigerjahren eher unerfreuliche Auseinandersetzungen. Nun war der Weltmeister von 1996 als einer von vier Rennkommissaren dafür mitverantwortlich, dass Schumacher durch die Strafversetzung von Platz sechs auf Platz zwölf nun praktisch keine Chancen mehr auf den diesjährigen WM-Titel hat.

Schumacher habe „ein schiefes Grinsen im Gesicht“ gehabt, als er den Raum der Rennleitung betreten habe, erklärte Hill. Nach der Bestrafung des Deutschen bekomme er nun E-Mails mit Drohungen, sagte Hill. „Die meisten Leute werden mir glauben, dass ich sauber und korrekt entschieden habe, aber in den Mails wirft man mir eine Voreingenommenheit vor.“

Noch Tage nach dem verbotenen Husarenstück diskutierte die Fachwelt darüber, ob denn nun die Rennleitung und Hill oder Mercedes und Schumacher sich nicht an die Regeln gehalten hatten. Einen positiven Effekt hatte die brisante Neuauflage des Duells der beiden alten Rivalen aber in jedem Fall. Der 41-jährige Schumacher hat nun auch den allerletzten Zweiflern bewiesen, dass er noch ganz der Alte ist. Erst die schmallippige Weigerung, noch einmal auf sein berüchtigtes Parkmanöver von 2006 an gleicher Stelle einzugehen, dann das waghalsige Manöver an gleicher Stelle. All das Gerede über die angebliche Wandlung des überehrgeizigen Perfektionisten zu einem entspannten Hobbyfahrer, es verpuffte spätestens in dem Moment, als der Mercedes mit der Nummer 3 am Ende der vierten Safetycar-Phase kurz vor dem Zielstrich zunächst unbemerkt von den Kameras doch noch an Alonso vorbeigezogen war. „Das war eine Möglichkeit, warum sollte ich die nicht nutzen?“, fragte der Deutsche.

Schumachers Motto: Kämpfen, bis nichts mehr geht

In der Tat, das war noch immer der kompromisslose Schumacher, der geliebt, gehasst und gefürchtet wird für seine skrupellosen Manöver, der kämpft, „bis sich nichts mehr dreht und nichts mehr geht“, wie er es einmal gesagt hat. So war es schon 2005 gewesen, als er seinen Bruder Ralf an gleicher Stelle auf fast schon brutale Art und Weise attackierte, und so war es auch am Sonntag. „Wir erinnern uns jetzt wieder an den alten Fuchs Schumacher und wie oft er die Regeln bricht“, bemerkte die „Times“.

Wobei zur Ehrenrettung des Fuchses gesagt werden muss, dass auch andere Piloten mit dem Gedanken spielten, auf dem kurzen Sprint zwischen Rascasse und Ziellinie noch einen Angriff zu wagen. Wie Fußballspieler in der Abseitsfrage waren sich offenbar die wenigsten Fahrer im Klaren über die aktuelle Regellage bei einem Rennende hinter dem Safetycar. Der maßgebliche Paragraf 40.13 besagt, dass in diesem Fall Überholverbot gilt, das Sicherheitsfahrzeug aber kurz vorher in die Boxengasse abbiegt – wohl um ein schöneres Ziellinienfoto zu ermöglichen.

Für Verwirrung sorgten in Monaco jedoch die begleitenden offiziellen Meldungen der Rennkommissare des Automobil-Weltverbands (Fia). „Die Fia hatte ,Safetycar kommt diese Runde herein‘ schon früh in Runde 78 mitgeteilt und die Strecke war von der Rennleitung für frei erklärt worden“, sagte Mercedes-Teamchef Ross Brawn. „Das wurde auch durch die grünen Flaggen der Streckenposten und durch das grüne Licht hinter der Safetycar-Linie eins verdeutlicht.“ Bei früheren Rennen, die hinter dem Safetycar beendet worden waren wie 2009 in Melbourne, seien um die ganze Strecke gelbe Flaggen als Zeichen des Überholverbots gezeigt worden. Diesmal war das nicht so – also ein Fehler der Rennleitung?

Verwundert fragte jedenfalls auch Alonso über Funk an der Box nach, ob er denn den Fünftplatzierten Lewis Hamilton überholen dürfe – die Ferrari-Zentrale verneinte dies. Einen Wagen hinter ihm hatte man exakt die gleiche Unterredung zu einem komplett anderen Ergebnis geführt. Mercedes teilte Schumacher und auch dem hinter ihm fahrende Rosberg mit, dass sie auf den paar Metern zwischen Rascasse und Ziellinie noch einmal Vollgas geben sollten. „Also gab ich Gas und überholte Fernando“, sagte Schumacher. „Dass ich am Ende auf Platz zwölf zurückversetzt wurde, ist sehr enttäuschend.“ Er verstehe vollkommen, wenn Mercedes gegen diese Entscheidung Berufung einlege – allerdings teilte der Rennstall am Dienstag mit, nun doch auf ein weiteres Verfahren zu verzichten. Auf der Rennstrecke aber ist Schumachers Motto klar: Kämpfen, bis nichts mehr geht, auch um einen bedeutungslosen sechsten Platz. Die Formel 1 hat es vernommen: Michael Schumacher ist zurück.

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