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Am Ort des Geschehens. Michael Schumacher kommt in der Rascasse in Monte Carlo diesmal nicht zum Stehen.

© Christian Hönicke

Michael Schumacher: Er kriegt die Kurve nicht

Michael Schumacher wird in Monaco mit den dunklen Seiten seiner Vergangenheit konfrontiert – und verpasst die Chance, sie hinter sich zu lassen.

Von Christian Hönicke

Bei der Party ließ er sich lieber nicht blicken. Kurz vor der Einweihungszeremonie im brandneuen dreistöckigen Mercedes-Motorhome hatte Michael Schumacher eines jener unangenehmen Gespräche über harte Themen führen müssen, das einem die Feierlaune so richtig vermiest. Bei der öffentlichen Plauderrunde vor dem Großen Preis von Monaco am Sonntag war sein letzter Besuch als Formel-1-Pilot an der Côte d’Azur vor vier Jahren das Partygespräch. Doch als vor allem englische Journalisten ein wenig provokant die Sprache auf sein wildes Einparkmanöver lenkten, mit dem er 2006 in der Qualifikation die enge Rascasse-Kurve versperrt und damit seinem Titelrivalen Fernando Alonso die Trainingsbestzeit vermasselt hatte, war nichts zu sehen vom angeblich so lockeren und entspannten neuen Michael Schumacher. Der 41-Jährige schmetterte alle Versuche ab, ihn zu einer Äußerung der Reue oder wenigstens einem Rückblick mit Augenzwinkern zu bewegen.

Erst versuchte er es noch. „Ich hatte doch einen Riesenspaß im Rennen“, sagte er mit einem gequälten Lächeln. „Ich bin von ganz hinten auf Platz fünf gefahren, das hat Spaß gemacht.“ Bei der anschließenden Frage, ob die Qualifikation davor und seine Strafversetzung ans Ende des Startfelds nicht ein Tiefpunkt seiner Karriere gewesen seien, wich das Lächeln aus seinem Gesicht. „Ja, denn ihr habt es dazu gemacht“, erklärte Schumacher und präzisierte: „Ihr alle, ihr Journalisten.“ Er wolle nicht mehr über 2006 sprechen. „Es gibt nichts zu bereuen, lasst uns nach vorn schauen und nicht zurück.“ Als trotzdem ein BBC-Reporter nachbohrte und fragte, ob Schumacher sich in den drei Jahren Pause geändert habe oder etwas Ähnliches wieder tun würde, verlor der Deutsche die Contenance und feuerte ein giftiges „Sie langweilen!“ zurück. Eine letzte Frage zu dem heiklen Thema erntete nur noch ein schroffes „Kein Kommentar“.

Noch vor kurzem hatte Schumacher erklärt, er sei jetzt entspannter und nicht mehr der vom Ehrgeiz getriebene Perfektionist. Aber so schnell kann wohl niemand aus seiner Haut, nicht mal der König der Raser. Der neue Schumacher scheint ganz der alte. Noch immer fällt es dem siebenmaligen Weltmeister schwer, über eigene Schwächen und Verfehlungen zu sprechen. Nach fünf Rennen ist er nun schon wieder in der guten alten Freund-Feind-Welt angekommen, die er einst entnervt zurückließ.

Nach dem großen Hype um seine Rückkehr sind nun also auch die nicht so glamourösen Bilder aus dem Schumacher-Fotoalbum herausgekramt. Plötzlich hat sie wieder jeder vor Augen, die Rammstöße gegen Hill und Villeneuve, die Schummelaffären um ignorierte Schwarze Flaggen, illegale Bodenplatten und Tankfilter, die vielen harten Manöver, mit denen er sogar den eigenen Bruder gegen sich aufbrachte. Nahm Schumacher wirklich an, man würde ihn hier am Ort des Geschehens nicht mehr mit einer der schwärzesten Stunden seiner Karriere konfrontieren? Während Alonso seinem Rivalen vergeben hat, hat der Deutsche bis heute kein Licht ins Dunkel gebracht, was damals in der engen Rascasse wirklich im Ferrari- Cockpit vor sich gegangen war und ob der dilettantische Fahrfehler geplant war. Letzteres vermutete nicht nur der ehemalige Weltmeister Keke Rosberg, der ihn dereinst als „Drecksack“ beschimpfte.

Inzwischen fährt Schumacher an der Seite von Rosbergs Sohn Nico für Mercedes und kommt dabei nach einigen Anlaufschwierigkeiten immer besser zurecht. Vor einer Woche in Barcelona hängte er Rosberg erstmals ab und erntete für seine furiose Verteidigung des vierten Platzes vor Weltmeister Jenson Button weltweit verbreitetes Lob.

In Monaco ließ der Kerpener aber nun eine viel größere Überholchance ungenutzt: die, seinen eigenen Schatten abzuhängen. Mit einer kleinen Charmeoffensive hätte er seine bisweilen strittigen Schachzüge vergessen machen oder sie mit ein paar flotten Partysprüchen als Jugendsünden darstellen können. Doch vier Jahre nach seiner berüchtigten Blockadeaktion stand Schumacher in Monaco wieder im Weg – diesmal sich selbst.

Ein bisschen was dazugelernt hat Michael Schumacher vor dem heutigen Qualifying (14 Uhr/RTL und Sky) aber doch: In den ersten Freien Trainings kam er komplett unfallfrei durch die Rascasse.

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