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© AFP

Michael Schumacher: Heiland in der Wüste

Sehnsüchtig wurde Michael Schumachers Formel-1-Comeback erwartet. In Bahrain geht es ab heute los.

Von Christian Hönicke

Es wird still im Autohaus Al Haddad Motors: „Da kommt er“, tuscheln sich die Leute zu und stupsen sich in die Seiten. Die Blicke von etwa 200 geladenen Gästen bohren sich durch die verwischte Glasscheibe auf den Parkplatz, auf dem für gewöhnlich gewiefte Verkäufer Autos mit Stern auf dem Kühler anpreisen. Doch an diesem Tag ist nichts von den lokalen Vertriebsgrößen zu sehen. Stattdessen öffnet sich eine silbergraue Limousine und gibt den Blick frei auf den Mann, den alle sehnsüchtig erwarten. Nach drei Jahren Pause gebührt es dem einstigen Herrscher der Formel 1, die Saison 2010 in der Mercedes-Niederlassung am staubigen Shaikh Salman Highway in der Wüste des Königreichs Bahrain zu eröffnen. Ja, da kommt er.

Die Daumen in den Jeanstaschen wie ein Schuljunge vor der ersten Stunde nach den großen Ferien, schlendert Michael Schumacher in das Autohaus und auf das mit schwarzen Tüchern verhängte Podium. Auf seinem Kopf sitzt die neue silberne Kappe mit der Nummer 3. Nachdem ein einminütiger Blitzlichthagel auf ihn und seinen Mercedes-Stallgefährten Nico Rosberg herniedergegangen ist und das Wort „Schumacher“ in nahezu allen bekannten Idiomen ausgerufen wurde, wird es wieder still. Keine Fragen? „Großartig, danke schön!“, sagt Schumacher und steht auf.

Ein gespielter Witz, wie er wahrer nicht sein könnte. Schumacher will fahren, nicht reden. Und eigentlich gibt es auch nichts mehr zu reden, es ist alles gesagt. Aber dann ist das neue, alte Zugpferd der Zirkusshow Formel 1 doch so nett, sich einmal an den staunenden Betrachtern vorbei umherführen zu lassen.

Er genießt es, wieder im Auto zu sitzen

Der 41-Jährige setzt sich wieder und fasst den derzeitigen Nachrichtenstand der Rubrik Comeback für diejenigen zusammen, die die vergangenen Wochen auf einem fernen Planeten unter einem Stein mit den Fingern in beiden Ohren verbracht haben. „Ich genieße es, im Auto zu sitzen und gegen die Jungs auf der Strecke zu kämpfen“, erzählt er. „Das habe ich vermisst.“ Bezüglich seines Autos hofft der siebenmalige Weltmeister nach den eher durchwachsenen Testfahrten auf das neue Aerodynamikpaket am Mercedes. Man werde vermutlich trotzdem nicht siegfähig sein beim Saisonauftakt am Sonntag, könne aber um den WM-Titel mitfahren, wenn man am Anfang der Saison nicht zu viel Boden verliere. Es ist Schumacher im Übrigen egal, ob er gegen Jüngere oder Ältere fährt, gegen Freunde oder Feinde, wenn der Helm auf ist, sind für ihn alle gleich. Es gebe auch viel mehr gleichwertige Teams als während seiner letzten Saison 2006. Dass er mit 61 noch fahren wird, erachtet er als unwahrscheinlich. Während er das so erzählt, scheint jede Sehne, jeder Muskel seines Körpers gespannt darauf zu warten, dass das Reden vorbei ist, die rote Startampel endlich erlischt und das Rennen freigibt. Rosberg, der neben ihm sitzt, erträgt das einseitige Schauspiel mit meditativ anmutender Gleichmut. Hin und wieder darf auch er eine Frage zu Schumacher beantworten – er kennt das Spiel inzwischen. Als sein neuer Teamkollege am Mittwoch mit seinem Privatjet zu seinem 250. Grand Prix eingeschwebt war, lautete die Nachricht dazu: „Schumacher gut erhalten in Bahrain angekommen.“

Während der Papst der Autofahrer im Autohaus sagt, was gesagt werden muss, wird sein silbergraues Mobil auf dem Parkplatz fluchtbereit gemacht. Eine mittägliche Fahrt über den staubigen Wüstenhighway später öffnet es sich am recht unbescheiden als „Heimat des Motorsports im Mittleren Osten“ betitelten Bahrain International Circuit wieder.

„Diese Saison wird elektrisierend“

Dann darf er sich noch einmal bestaunen lassen, bei der obligatorischen Saisoneröffnungs-Pressekonferenz. In der Formel-1-Szene zeigt man sich durchweg erfreut, dass der Deutsche wieder zurück ist. „Diese Saison wird elektrisierend“, sagt Weltmeister Jenson Button. Wie elektrisiert Schumacher von diesem verbalen Vorspiel ist, zeigt er mit einem Kaugummi, der, dem Kauumfang nach zu urteilen, eine Jumbo-Spezialanfertigung von Hubba Bubba sein dürfte. Er kaut, sagt mit langsam dünner werdender Stimme, er freue sich darauf, „dass die rote Startampel ausgeht“, und kaut weiter. Der Rest sind Allgemeinplätze, meist kurz, häufig witzig, manchmal schnippisch. Die Antworten auf die wichtigen Fragen, die bleiben in seinem Kopf oder vielleicht auch irgendwo darunter oder darüber. Was ist der Sinn von alledem? Und wo soll das noch hinführen?

Zumindest einen kleinen Hinweis, wo die Antworten zu finden sein könnten, liefert Schumacher aber noch: „Lasst uns einfach mal abwarten, wie es auf der Strecke aussieht.“ Am Freitagmorgen um 8 Uhr deutscher Zeit findet das erste Freie Training statt (live bei DSF und Sky), am Sonntag um 13 Uhr der Grand Prix von Bahrain. Dann wird sich auch klären lassen, ob Schumacher auf der Strecke noch mithalten kann. Bis dahin lässt sich immerhin eines festhalten: Abseits der Strecke ist Schumacher noch ganz der Alte.

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