zum Hauptinhalt

Sport: Michael Tarnat, Ersatz-Ersatz-Torhüter

Was hatte ich denn schon zu verlieren?", fragte Michael Tarnat und lächelte in die Journalistenschar, die ihn nach dem 2:1-Erfolg der Bayern in Frankfurt umringte.

Was hatte ich denn schon zu verlieren?", fragte Michael Tarnat und lächelte in die Journalistenschar, die ihn nach dem 2:1-Erfolg der Bayern in Frankfurt umringte. Die Antwort ist leicht zu geben. Der 29jährige Freistoß-Spezialist hatte rein gar nichts zu verlieren. Seine Mannschaft lag 0:1 zurück, die beiden etatmäßigen Torhüter Oliver Kahn und Bernd Dreher lagen verletzt in der Kabine. Das eigene Tor war verwaist, die Mannschaft ratlos. Spontan habe er sich "in dieser Notsituation" zur Verfügung gestellt. Ruck, zuck das Trikot von Dreher übergestreift, die Handschuhe angezogen - schon war Hobby-Keeper Tarnat bereit. Wie einst in der D-Jugend, als Klein-Michael auch schon mal im Tor stand.

"Anfangs war ich ganz schön nervös. Hätte die Eintracht mehr aufs Tor geschossen, dann hätte ich wohl schön alt ausgesehen", mutmaßte Tarnat. Doch er stand in keiner "Schießbude", bestach hingegen durch hervorragende Strafraumbeherrschung, von seinen präzisen Abschlägen konnte sich mancher gelernte Torwart eine Scheibe abschneiden. Die Frankfurter waren höchst verwirrt. Tarnat fragte sich: "Hatten die etwa Angst vor mir?" Er überstand die 30 Minuten auf der ungewohnten Position jedenfalls hervorragend. Eine halbe Stunde, die die aufregendste in seiner Profikarriere gewesen sein dürfte. Ein Novum in der Bundesliga war der Einsatz eines Feldspielers als Torwart nicht. Allein in den letzten drei Jahren gingen Oliseh (1. FC Köln), Flo (Werder Bremen) und Stevic (Dortmund) fremd. Jedoch jeweils nur für ein paar Minuten.

Die Mitspieler haben sich nicht darüber gewundert, dass "Tanne" (sein Spitzname aus der Zeit in Duisburg) sich als unbezwingbar präsentierte. Während des Trainings, so berichtete sein Mannschaftskamerad Thomas Linke, stelle sich Tarnat immer mal gerne zwischen die Pfosten: "Da hält er Weltklasse." Glück hatte Stefan Effenberg, dass er nicht ins Tor musste. Denn eigentlich hatte Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld den Münchner Kapitän als Ersatz-Ersatz-Torhüter ausgeguckt, hätte es keinen Freiwilligen gegeben. Hitzfeld: "Effenberg bringt mit 1,86 m die entsprechende Größe mit und hat große Hände." Tarnat misst übrigens auch 1,86 m. Und seine Hände hatten am Sonnabend magische Anziehungskraft.

seb

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false