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Sport: Milde Siegerjustiz

Formel-1-Lügenaffäre: McLaren-Mercedes kommt mit Bewährungsstrafe davon

Berlin - Aus den Worten von Norbert Haug war die Erleichterung herauszulesen. „Das Thema ist abgehakt“, sagte der Mercedes-Motorsportchef. „Jetzt steht wieder Sport statt Politik im Vordergrund.“ Kurz zuvor war das Formel-1- Team McLaren-Mercedes in der sogenannten Lügenaffäre um Weltmeister Lewis Hamilton glimpflich davongekommen. Theoretisch wäre ein Ausschluss des Rennstalls aus der WM möglich gewesen, doch der Weltrat des Automobil- Weltverbands Fia entschied sich am Mittwoch für eine Bewährungsstrafe. Nur wenn in den nächsten zwölf Monaten weitere belastende Fakten bekannt würden oder McLaren erneut gegen das Regelwerk verstieße, würde das Team für drei Rennen gesperrt. Es sei „ein faires Urteil“, stellte Haug fest. Wegen der Bewährungszeit habe er keine Bedenken, „wir werden bei derartigen Themen mit allergrößter Präzision und Vorsicht vorgehen und keine Fehler machen“.

Das Urteil bezog sich auf folgende Begebenheit: Beim ersten Saisonrennen in Australien hatte McLaren-Pilot Hamilton den Toyota-Fahrer Jarno Trulli auf Anweisung des Teams in einer Safetycar-Phase passieren lassen. Trulli war zunächst disqualifiziert worden, weil Hamilton wohl auf Druck eines Vorgesetzten behauptet hatte, der Italiener habe ihn verbotenerweise ohne sein Zutun überholt. Dies hatte Hamilton auch danach noch mehrfach wiederholt, obwohl Boxenfunksprüche das Gegenteil bewiesen.

Als treibende Kräfte hinter den Tricksereien und Lügengeschichten wurden Dave Ryan und Ron Dennis ausgemacht. Der Sportdirektor ist inzwischen genauso von seinen Aufgaben entbunden worden wie der langjährige McLaren-Chef Dennis, der seine Untergebenen mit unzähligen Anrufen zur Falschaussage angestiftet haben soll. Auch Hamilton soll kurzfristig seinen Rücktritt erwogen haben.

Mit den Fehlinformationen hatten Hamilton und McLaren gegen den Fia-Paragrafen 151c verstoßen, der das Handeln gegen den Sportsgeist unter Strafe stellt. Der gleiche Paragraf hatte dem Team vor zwei Jahren eine 100-Millionen-Dollar-Strafe und den Abzug aller Konstrukteurspunkte im Zuge der Affäre um geklautes Datenmaterial von Ferrari beschert.

Dass es dazu diesmal nicht kam, ist wohl auch der derzeit unsicheren Lage in der Formel 1 geschuldet. Im Falle einer ähnlich harten Strafe hatte Daimler-Konzernchef Dieter Zetsche angekündigt, das Formel-1-Engagement seiner Firma zu überdenken. Deswegen hatte Formel-1- Chef Bernie Ecclestone ein mildes Urteil nahegelegt und war nun zufrieden: „Ihnen wurde auf die Finger geklopft – das war alles, was sie gebraucht haben.

Laut der Fia-Urteilsbegründung wurden auch das „offene und ehrliche Auftreten von McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh“ und „die veränderte Kultur in seinem Unternehmen“ berücksichtigt. Diese Formulierung lässt eine andere interessante Erklärung für das milde Urteil zu: Den jahrelangen Machtkampf mit Ron Dennis sieht Fia-Präsident Max Mosley als gewonnen an. Im Gefühl des sicheren Sieges kann man schon mal gönnerhaft sein.

Christian Hönicke

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