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Sport: „Mir tun sie einfach leid“

Promoter Wilfried Sauerland über die Comebacks seiner ehemaligen Boxer Axel Schulz und Henry Maske

Herr Sauerland, was ist gutes Boxen?

Gutes Boxen ist, wenn zwei austrainierte Athleten sich im Ring gegenüberstehen, die über genügend boxerische Mittel verfügen. Ich persönlich ziehe technisch hochstehendes Boxen vor, bei dem es nicht unbedingt den Knockout geben muss, während andere lieber eine Schlacht sehen mit einem K. o. Jetzt wissen Sie übrigens auch, was nicht so gutes Boxen ist. Ich vermute ja, worauf Sie ansprechen.

Welche Sorte von Boxen werden wir heute Abend sehen, wenn Axel Schulz sein Comeback gibt?

Da bin ich genauso gespannt wie Sie. Keiner weiß, wie der Leistungsstand von Axel tatsächlich ist. Er soll ja hart trainiert haben und hat sich eine ungewöhnlich lange Zeit auf diesen Kampf vorbereitet, aber er ist über seinen Zenit. In meinen Augen wird es sehr schwer sein, die sieben Jahre, die seit seinem letzten Kampf vergangen sind, vergessen zu machen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er die Mängel beseitigen konnte, die es früher unbestreitbar gegeben hat.

Im Frühjahr will auch Henry Maske sein Comeback geben. Gibt es zwischen beiden Veranstaltungen einen qualitativen Unterschied?

Henrys Leistungsvermögen war ungleich größer als das von Axel. Henry hat sich einen amtierenden Weltmeister, der allerdings genauso alt ist wie er, für diesen einen Kampf ausgesucht. Bei Axel ist es ein Gegner, den ich noch nie habe boxen sehen. Minto wird zwar an Nummer 26 der unabhängigen Weltrangliste geführt, wenn ich aber sehe, gegen wen er geboxt hat, weiß ich nicht, wie er auf Nummer 26 gekommen ist.

Maske will nur diesen einen Kampf, Schulz hingegen will noch einmal richtig Boxer werden.

Beide starten von einer unterschiedlichen Basis. Axel war als Boxer limitierter als Henry. Und ich glaube auch, dass Axel boxerisch nie das erreichen kann, auch wenn er noch so viel trainiert. Allerdings hat Axel drei Jahre weniger ausgesetzt und ist fünf Jahre jünger als Henry. Kein Mensch sollte erwarten, dass es jetzt einen anderen oder besseren Axel Schulz gibt als den, der gegen Wladimir Klitschko seinen letzten Kampf bestritten hat.

Wie gefährlich sind die beiden Comebacks?

Mit dem Alter lassen die Reflexe nach. Und genau darin sehe ich bei Henry, aber auch bei Axel die große Gefahr. Boxen ist nicht ungefährlich. Ich fürchte, dass sie jetzt Schläge mitnehmen, die sie früher vermieden haben. Reflexe und Distanzgefühl können sie nicht trainieren. Vor allem, wenn man so lange ausgesetzt hat. Henry war ein Boxer, der ja sehr von seinem Distanzgefühl und seinen Reflexen gelebt hat. Deshalb habe ich ihm auch geraten: Lass es doch lieber sein!

Warum gerade ihm?

Weil er wesentlich mehr zu verlieren hat als Axel. Axel liebt man als den lieben Jungen, als guten Kumpel. Dem nimmt man auch eine Niederlage mehr oder weniger nicht übel. Aber wenn Henry jetzt gegen Hill eindeutig verlieren sollte, das würde seinem Ruf einen Knacks verpassen. Er hat irgendwo schon einen gewissen Mythos, der natürlich mit jedem Jahr größer wird. Mit dem Comeback begibt er sich in Gefahr, dass die Leute hinterher sagen: Mensch, das war ja dann doch nicht das, was es einmal war.

Sind die beiden Comebacks noch Leistungsboxen oder schon Promiboxen?

Für meinen Geschmack ist es irgendwo dazwischen. Leistungen müssen beide bringen, denn zehn oder zwölf Runden im Boxen sind eine Tortur. Man würde beiden Unrecht tun, aber es kommt dem Promiboxen gefährlich nah.

Sind Sie neidisch, dass Sie diese beiden Kämpfe nicht veranstalten?

Um Gottes willen, nein. Auch wenn ich heute noch einmal gefragt werden würde, ich würde es nicht machen. Mir tut es einfach leid, dass die zwei, die es ja auch nicht nötig haben, jetzt noch einmal in den Ring gehen, um – ja, ich weiß gar nicht, wem sie und was sie beweisen wollen. Außer Geld gibt es für beide nichts zu gewinnen.

Maske könnte immerhin seinen einzigen Makel als Boxer ausräumen.

Sicher, vorausgesetzt er gewinnt. Aber was will Axel sagen? Dann müsste man erst einmal abwarten, wie die nächsten Kämpfe verlaufen. Nicht dass man hinterher sagt, der Axel ist der liebste Verlierer, den wir in Deutschland haben.

Haben Sie mit beiden über ihr Comeback gesprochen?

Selbstverständlich. Beide waren an den Trainern meines Stalls, Manfred Wolke und Uli Wegner, interessiert. Ich musste das aber ablehnen, weil ich mich von dieser Entwicklung fernhalten will. Es gibt zu viele Comebacks im Boxen, die negativ ausgegangen sind. Mir ist gerade ein Kampf zwischen unserem Schwergewichtsweltmeister Nikolai Walujew gegen Evander Holyfield angeboten worden. Das habe ich abgelehnt, nicht weil ich Angst hätte, dass Walujew verlieren könnte, sondern weil ich denke, dass ein 44-Jähriger wie Holyfield vor sich selbst geschützt werden muss.

Sind die Comebacks ein Zeichen für den Niedergang des deutschen Profiboxens?

Das sehe ich überhaupt nicht so. Ich glaube einfach, das RTL mal wieder einen neuen Programmteil finden muss. Aus deren Sicht ist es ein geschickter Schachzug, diese beiden zurückzuholen.

Ein anderer ehemaliger Weltklasseboxer Ihres Stalls, Sven Ottke, hat gesagt: Die Comebacks machen die Glaubwürdigkeit des Boxens kaputt.

Diesen Einwand teile ich. Wenn jemand nach zehn Jahren zurückkommt, dann ist das natürlich nicht sehr positiv. Ich muss dazu sagen: Es werden hier Millionensummen in den Raum geworfen, die so im reellen Boxsport gar nicht zu erzielen sind, mal abgesehen von einem großen Weltmeisterschaftskampf im Schwergewicht.

RTL-Sportchef Loppe kündigt an, sein Sender werde Boxen völlig neu inszenieren. Hört sich wie eine Drohung an, oder?

RTL und mein Unternehmen, wir haben uns damals deswegen getrennt, weil der Sender nur Highlights zeigen wollte, vier Kämpfe im Jahr, nur große Sachen. Aber damit wären wir nicht weitergekommen. Wir brauchen den Nachwuchs. Wenn man das jetzt wie RTL machen würde, gäbe es in zwei, drei Jahren kein Berufsboxen mehr in Deutschland. Boxer wie Artur Abraham oder Felix Sturm wären unter diesen Gegebenheiten nie nach oben gekommen. ARD und ZDF zeigen neben dem Hauptkampf immer noch einen zweiten Kampf, in dem sich junge Boxer populär machen.

Das Motto des Comebacks von Schulz lautet: Nacht der Antworten. Welche Antwort werden wir bekommen?

Tja, ich weiß ja nicht einmal, wie die Frage lautet. Ich werde Ihnen etwas sagen: Wenn ich einen Weltmeisterschaftskampf mit Walujew oder Abraham veranstalte oder mein Kollege Klaus-Peter Kohl von Universum einen WM-Kampf im Programm hat, dann kommen regelmäßig 20 bis 30 ausländische Sender, die diese Kämpfe aufgreifen und übertragen. Ich wette mit Ihnen: Es gibt keinen einzigen Sender außer RTL in der ganzen Welt, der am Samstag diesen Kampf zeigen wird. Das eine ist Sport, das andere ist ein Gag für Deutschland.

Das Gespräch führte Michael Rosentritt

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