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Miriam Gössner: Die Wahl zwischen schön und gut

Miriam Gössner, Zweite mit der Langlaufstaffel, muss sich zwischen dem Laufen mit oder ohne Gewehr entscheiden.

Kaum ist sie da, kaum trägt sie entscheidend bei zum großen Erfolg, soll sie auch schon wieder weg sein? Miriam Gössner ist 19 Jahre alt und hat die deutschen Langläuferinnen bei diesen Winterspielen schon zum zweiten Mal weitergebracht. „Sie hatte uns schon bei der WM im vorigen Jahr in Liberec wieder an den zweiten Platz geführt“, erzählte Bundestrainer Jochen Behle. Und auch in Whistler hatte sie großen Anteil daran, dass die deutsche Staffel mit Kathrin Zeller, Evi Sachenbacher-Stehle, Claudia Nystad und eben ihr die Silbermedaille gewann. Ihr gehört die Zukunft, das glaubt nicht nur Bundestrainer Behle. Die Sache hat nur einen Haken.

Die Zolloberwachtmeisterin aus Garmisch-Partenkirchen ist keine eindeutige Kandidatin für den Langlauf, sie gewann zweimal Gold und je einmal Silber und Bronze bei den Biathlon-Weltmeisterschaften der Junioren 2008 und 2009. Beim Biathlon könnte für sie bald ein Platz frei werden, wenn Kati Wilhelm (33 Jahre), Simone Hauswald (30) und Martina Beck (30) aufhören.

Ob ihre Zukunft beim Skilaufen mit oder ohne Gewehr liegt, weiß sie nicht. „Ich muss mir das noch mal genau überlegen. Irgendwann muss ich das sicher entscheiden. Es geht nicht beides gut. Das habe ich dieses Jahr schon gemerkt, als es mir zu viel geworden ist“, sagte Miriam Gössner.

Im Dezember lag sie erschöpft zu Hause, nach einem Trainingslager mit den Biathleten sowie anschließenden Wettkämpfen und einem Höhentraining in Davos mit den Langläufern. „Ich wollte einfach nur nach Hause, ich konnte nicht mehr. Ich habe mich nur auf die Couch gesetzt und ganz viele Plätzchen gegessen. Danach ging es dann wieder. Manchmal braucht der Körper das“, beschrieb die Juniorin ihre spezielle Regenerationsmaßnahme.

Niemand bedrängt sie, niemand will von ihr eine Entscheidung. Behle hat ihr seine Meinung schon gesagt, und die hat Gössner nicht überrascht. „Der Jochen hat gemeint, ich habe deine Waffe schon verbuddelt, aber das war wirklich im Scherz. Beim Langlauf und beim Biathlon wird mir großes Vertrauen entgegengebracht.“ In Whistler hat sie als dritte Läuferin der Staffel im Skating-Stil eine Lücke geschlossen. Denn Evi Sachenbacher-Stehle hatte sich erbarmt, die klassische Technik zu laufen.

Sie verspüre keinen Druck, sie fühle sich nicht „zwischen den Stühlen sitzend“, sag Gössner. Nur wäre es im Interesse noch besserer Resultate, wenn sie irgendwann wüsste, ob sie eine Skilangläuferin oder eine Biathletin wird. „Um in einer Sportart Weltspitze zu werden, muss man sich irgendwann spezialisieren. Das werde ich irgendwann machen, aber ich weiß nicht genau, wann.“ Ihr Freund Simon Schempp ist Biathlet: Er brachte die Staffel als Startläufer am Freitag in eine gute Position. Am Ende wurde es Platz fünf. Sollte sich Miriam Gössner für Biathlon entscheiden, wären sie häufiger zusammen. „Aber manchmal ist es auch gut, wenn jeder seine Wege geht.“

Sie steckt in einem Konflikt zwischen etwas Schönem und etwas Gutem. Sie weiß nicht wohin. „Langlauf hat seine schönen Seiten. Biathlon hat seine tollen Seiten. Es sind beide Mannschaften total nett. Wenn wenigstens eine Mannschaft nicht nett wäre, dann würde ich sagen, okay ich gehe zur anderen.“ Mit Gössner werden auch deshalb große Hoffnungen verbunden, weil die deutsche Langlaufstaffel überaltert ist. Claudia Nystad wird ihr letztes Olympia erlebt haben, die 32 Jahre alte Sportsoldatin wird sich bald anderen Dingen zuwenden, sie studiert Grafikdesign und hat auch schon eigene Kohlestiftgemälde in Galerien präsentiert. Katrin Zeller, die am Montag 31 wird, dürfte ebenso wie Evi Sachenbacher-Stehler (29) keine allzu große Perspektive mehr auf Olympia 2014 im russischen Sotschi haben. Da läge es auch an Gössner, eine neue Staffel mitaufzubauen.

Mit Magdalena Neuner, der Doppel-Olympiasiegerin im Biathlon, die auch schon in der Langlauf-Staffel eingesetzt wurde, hat sie das Gespräch noch nicht gesucht. „Darüber habe ich mich nicht mit Lena ausgetauscht. Für sie ist es überhaupt keine Frage, Langlauf zu machen. Sie ist im Biathlon absolute Weltspitze, sie ist ein Weltstar.“ Das könnte für Miriam Gössner vielleicht den Ausschlag geben, fest zum Langlauf zu gehen. Die Rolle, die Magdalena Neuner im Biathlon spielt, ist im deutschen Langlauf noch frei. Miriam Gössner hätte das Zeug dazu, sie auszufüllen.

Gregor Derichs[Whistler]

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