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Tänzchen mit Vase. Didier Drogba ist mit Chelsea endlich am Ziel. Foto: dpa

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Sport: Mission erfüllt

Didier Drogbas großer Auftritt im Endspiel könnte sein letzter für den FC Chelsea gewesen sein.

Wahrscheinlich haben sie das im Training tausendmal geübt. Eckball von Juan Mata auf den kurzen Pfosten, aus dem Hintergrund stürmt Didier Drogba heran, cool nach links, noch bevor ein Gegenspieler mit zum Kopfball gehen kann, stellt sich Frank Lampard dazwischen, auf dass Drogba freie Bahn hat und den Ball mit dem Kopf ins Tor rammt. Genauso brachten sie es zur Aufführung, nach dem ersten und einzigen Eckball für den FC Chelsea in den 120 Finalminuten von München. Als Komparsen wirkten mit: Bayerns hilfloser Innenverteidiger Jerome Boateng und der bedauernswerte Manuel Neuer, der im Tor genau eine brenzlige Situation erlebte. Es war eine zu viel und für die Bayern der Anfang vom Ende.

Später hält Drogba eine kleine Rede, es geht dabei weder um das 1:1, noch um sein alles entscheidendes Tor im Elfmeterschießen. Drogba redet nicht gern über sich, umso lieber über andere. Über „unsere fantastischen Fans, die uns nach dem Rückstand zurück ins Spiel gebracht haben“. Über seine Trainer in acht Jahren bei Chelsea, „ich bedanke mich bei allen, sie haben aus mir einen besseren Fußballspieler und einen besseren Menschen gemacht“. Über seine Kollegen Petr Cech („Der beste Torhüter der Welt“) und Ashley Cole, „denn wenn er im Achtelfinale gegen Neapel nicht auf der Linie gerettet hätte, wären wir heute nicht hier“. Und natürlich über Chelsea: „Das ist ein großer Tag für unseren Klub. Endlich kommt der Cup zurück an die Stamford Bridge!“

Das ist in doppelter Hinsicht nicht ganz korrekt formuliert. Denn erstens kann die riesige Silbervase für Europas beste Klubmannschaft gar nicht zurückkommen zum FC Chelsea, weil sie dort noch nie war – die Blauen sind überhaupt der erste Londoner Klub, der die Trophäe in die britische Hauptstadt holt. Und zweitens ist der große Tag schon gut eineinhalb Stunden lang Geschichte, als Drogba seinen Vortrag vor der Weltpresse hält. Nach acht Jahren im blauen Trikot hat er dem milliardenschweren Klubbesitzer Roman Abramowitsch endlich den ersehnten Triumph gebracht. Drogba ist kein Getriebener, kein Unvollendeter mehr, so wie Chelsea nicht mehr der hämisch beäugte Beweis dafür ist, dass Erfolg im Fußball nicht käuflich ist. Abramowitschs Investment hat sich in Erfolg ausgezahlt. Und niemand steht dafür so wie Didier Yves Drogba Tébily, der 34 Jahre alte Stürmer aus Abidjan an der Elfenbeinküste.

Als Drogba im Frühling 2004 von Marseille nach London transferiert wurde, war er vor allem ein Spekulationsobjekt. Für die klammen Franzosen, weil sie sich mit der damals atemberaubend anmutenden Ablöse von 36 Millionen Euro auf einen Schlag sanierten – geholt hatten sie Drogba ein Jahr zuvor für sechs Millionen. Und für Abramowitsch, weil er seinen gerade erworbenen Klub so schnell wie möglich nach oben bringen wollte und der kurz zuvor noch weitgehend unbekannte Drogba das begehrteste Objekt auf dem internationalen Transfermarkt war. In seiner besten Zeit war Drogba mit seiner Symbiose aus körperlicher Wucht, technischer Brillanz, Torgefahr und intuitiver Spielintelligenz der beste Stürmer der Welt. Er hat Chelsea zu Pokal und Meisterschaft geführt und neun Tore in Endspielen geschossen. Aber der ganz große Erfolg blieb ihm wie Abramowitsch versagt.

In der Nacht zu Sonntag nun stand der russische Finanzier auf der Tribüne, ein unscheinbarer Mann mit Dreitagebart und Strickjacke. Als Drogba auf dem Weg zur Siegerehrung an ihm vorbeischritt, fielen sie sich kurz in die Arme. Drogba nennt Abramowitsch kurz und respektvoll „The Owner“. Der Klubbesitzer hat sein Ziel erreicht, und das mit der wahrscheinlich schwächsten Mannschaft, die Chelsea seit der russischen Übernahme vor neun Jahren zur Verfügung hatte.

Wenig Brillanz steckte in Chelseas Auftritt in München, nie zuvor hat eine in der offenen Auseinandersetzung derart unterlegene Mannschaft die Champions League gewonnen. Alle auf Londoner Seite lobten die Leistung der Bayern, allen voran Drogba, der gleich zu Beginn der Verlängerung mit einem Tritt in die Ferse von Franck Ribéry jenen Elfmeter verursacht hatte, mit dem den Arjen Robben den Siegtreffer für die Bayern hätte erzielen können. Aber auch in Folge dieser Szene war das Momentum auf Chelseas Seite. Vorbei und vergessen, aber nicht für Drogba, er faltete, als alles vorbei war, seine Arme um Robben, mit dem er zu Beginn seiner Zeit in Chelsea den Sturm gebildet hatte. „Entscheidend war etwas, das du verinnerlichst, wenn du ein Chelsea-Spieler bist“, sagte Drogba. „Das ist unsere DNA: Ein Chelsesa-Spieler gibt nie auf, und wenn es auch noch so hoffnungslos aussieht. So sind wir gegen Neapel zurückgekommen, und so haben wir diesen Pokal gewonnen, dem wir seit acht Jahren so nah waren und der dann doch immer so weit weg war.“

Diktion und Emphase dieses nächtlichen Auftritts lassen darauf schließen, dass es sich um eine Abschlussrede handelt. Drogbas Mission beim FC Chelsea ist erfüllt. Er gibt keine Antwort auf die immer wiederkehrende Frage, ob dies denn nun sein letztes Spiel für Chelsea gewesen sei. „Also, in dieser Saison war es das letzte Spiel. Alles andere werden wir sehen. In emotionalen Situationen wie diesen soll man keine Entscheidungen treffen.“ Ende des Vortrags. Didier Drogba will zurück zu seinen Kollegen, zurück zu den Freuden der Nacht von München und ihren Sorgen. Sorgen? Natürlich, Drogba lacht und sagt: „Das Spiel war so schwer und aufregend, es hat unglaublich viel Kraft gekostet. Ich weiß gar nicht, ob wir noch genug Energie für die Party haben.“

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