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Sport: Mit dem Herzen dabei

Unter Trainer Huub Stevens hat sich beim abstiegsbedrohten HSV vieles geändert – vor allem zum Besseren

Von Karsten Doneck, dpa

Ein schwarzes Herzchen verzierte das Transparent. Es verlieh den Worten daneben eine fast intime Note. „Danke Thomas, Du warst Doll“, stand auf dem weißen Laken, das Fans auf der Nordtribüne der AOL-Arena hochhielten. Hamburgs Fußball-Publikum fällt es immer noch schwer, sich damit abzufinden, dass beim HSV an der Seitenlinie nicht mehr Thomas Doll über die Einhaltung der taktischen Vorgaben wacht, sondern der Holländer Huub Stevens. Doch die Gewöhnungsphase an den neuen Trainer wird schnell abgeschlossen sein, wenn die Mannschaft auch weiterhin wie beim 3:0 (2:0) gegen Borussia Dortmund, dem ersten Bundesliga-Heimsieg der Hamburger seit rund zehn Monaten, gegen den Abstieg punktet.

Das Spiel des HSV hat sich in einer Woche unter Stevens’ Führung kräftig gewandelt. Es ist laufintensiver geworden, kampfbetonter, disziplinierter. Die Staffelung der Abwehr, beginnend mit der Defensivarbeit im Mittelfeld, führte dazu, dass Dortmund kaum einmal gefährlich im HSV-Strafraum auftauchte. „Die Ordnung bei uns hat gestimmt“, sagte Abwehrspieler Joris Mathijsen. „Der Trainer hat von uns Disziplin in allen Mannschaftsteilen verlangt, und wir sollten mit ordentlich Drive nach vorne spielen. Das ist, glaube ich, gelungen“, ergänzte Abwehrchef Bastian Reinhardt.

Die Wandlung vom kunstvollen Stil Doll’scher Prägung zum nüchtern-sachlichen Konzeptfußball nach Stevens’ Art wird besonders auffällig an Thimothee Atouba. Der Verteidiger bot gegen Dortmund Pflicht statt Kür, was ihm bei seiner Ballfertigkeit sicher nicht leichtfällt. Gerade Atouba hatte zuvor das schnörkelvolle Dribbling geradezu kultiviert: hier noch einen Haken, dort noch eine Körpertäuschung – für Fußballästheten hübsch anzusehen, aber oft uneffektiv. Das Ballerinaverhalten hat ihm Stevens ausgetrieben. Atouba überzeugte im ersten Heimspiel unter dem neuen Trainer durch Sachlichkeit in der Abwehr und konstruktive Offensivaktionen gleichermaßen.

Huub Stevens hat gleich in seiner ersten Arbeitswoche in Hamburg ein paar grundsätzliche Dinge reformiert. Er hat zum Beispiel den Tagesablauf der HSV-Profis stärker reglementiert. Eine Stunde vor Trainingsbeginn wird im Kabinentrakt der AOL-Arena ein Frühstück für die Spieler angeboten, zwischen den beiden Trainingseinheiten am Vor- und Nachmittag ist gemeinsames Mittagessen Pflicht. Es gibt danach Schlafgelegenheiten im Kabinentrakt. Erst nach dem Nachmittagstraining werden die Spieler zu Frauen oder Freundinnen entlassen.

Gegen Privilegien ging Stevens auch vor. So war es unter Thomas Doll längst Gewohnheit geworden, dass der argentinische HSV-Star Juan Pablo Sorin ständig seinen Fitnesstrainer Marco Petrelli mitschleppte. Dieser Petrelli tauchte zuletzt sogar immer häufiger in der Spielerkabine auf. Stevens sprach ein Machtwort. Ab sofort sind während eines Arbeitstages nur die Physiotherapeuten des HSV für Sorin zuständig. Und für Petrelli gilt: Er muss draußen bleiben.

Der 3:0-Sieg gegen Dortmund war auch begünstigt durch Glück. Der Elfmeter, von Rafael van der Vaart sicher zum frühen 1:0 verwandelt, resultierte aus einem Hinfaller Mahdavikias. Nach einem berechtigten Platzverweis für Dortmunds Dede brauchten die Hamburger um ihre bis dahin erzielte 2:0-Führung gegen zehn Mann nicht mehr allzu sehr zu bangen. Und bei allem Ernst der Lage ist dem HSV offenbar auch der Spaß nicht abhanden gekommen. Als die Partie beendet war, gingen die Spieler, wie das Brauch ist in Hamburg, zu den Hardcore-Fans auf der Nordtribüne, um sich für die Unterstützung zu bedanken. Vorige Saison, als der HSV noch erfolgreich war, hatten die Spieler nach jedem Sieg vor ihren Anhängern noch wilde Tänze aufgeführt, mit Atouba als überaus gelenkigem Vortänzer. Diesmal zierten sie sich erst. Aber als sie die gute Laune auf den Rängen bemerkten, stießen die Spieler Atouba nach vorne – und der verlor sich in wilden Zuckungen: alles wie früher – wie unter Thomas Doll. Wenigstens das ist geblieben.

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