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Sport: Mit den Gedanken woanders

Hertha beklagt die Niederlage auf St. Pauli und muss womöglich ohne Josip Simunic planen

Gilberto stand gestern Nachmittag auf dem Trainingsgelände von Hertha und wiederholte ständig einen Satz: „Erste Liga gegen dritte Liga.“ Dann schüttelte der Brasilianer des Fußball-Bundesligisten den Kopf. 3:4 nach Verlängerung hatten die Berliner im DFB-Pokal-Achtelfinale am Mittwochabend gegen den Regionalligisten FC St. Pauli verloren. Und Gilberto hatte eine Beobachtung gemacht, mit der er die Niederlage zu erklären versuchte: „In der kurzen Pause vor der Verlängerung haben die Hamburger einen Kreis gebildet, alle zusammen. Bei uns waren die Spieler in einzelnen Grüppchen über den Rasen verteilt.“

Hertha war in Hamburg wieder einmal nicht als Einheit aufgetreten und konnte deshalb auch im vierten Spiel in Folge nicht gewinnen. „Im Team herrscht eine Pseudo-Harmonie“, sagt Manager Dieter Hoeneß. „Manche in der Mannschaft umarmen sich vor dem Spiel, als ob sie sich zwei Jahre nicht gesehen hätten.“ Das sei Ausdruck einer oberflächlichen, gespielten Harmonie, sagt Hoeneß.

Dabei war die mannschaftliche Geschlossenheit in der vergangenen Saison noch die Stärke der Berliner. Dass sie das nicht mehr ist, habe laut Hoeneß verschiedene Gründe. Zum einen sei die Hierarchie in der Mannschaft nicht mehr so eindeutig wie im Vorjahr. Führungsspieler wie Friedrich, Kovac, Bastürk, Marcelinho oder Gilberto hätten in der Hinrunde nicht ihre besten Leistungen gebracht, sagt der Manager. Und deshalb konnten sich die vielen neuen jungen Spieler nur schwer an den Leistungsträgern orientieren. Hertha will nun schnellstmöglich etwas an dieser „Pseudo-Harmonie“ ändern. Laut Trainer Falko Götz solle das „in einem Mix“ aus teamfördernden Maßnahmen und Strafen gemacht werden, die bis zum Ausschluss eines Profis aus dem Kader führen können.

Hoeneß selbst begann als Erster damit, der vorgegaukelten Harmonie ein Ende zu setzen. „Wir ziehen unser Angebot an Joe Simunic zurück und schauen uns von nun an nach einem neuen Verteidiger um“, sagte Hoeneß. Zuvor hatte der Manager den Kroaten für seine schwachen Leistungen kritisiert, die er möglicherweise deshalb gebracht habe, „weil er mit dem Kopf bei der Entscheidung war“. Wenn Josip Simunic bei Hertha bleiben wolle, dann müsse er jetzt von sich aus das Gespräch mit Hertha suchen. Der Klub hatte dem Kroaten eine Entscheidungsfrist bis Weihnachten gesetzt, sein Vertrag läuft am Saisonende aus. Simunic ist ein Führungsspieler bei Hertha. In Hamburg hatte er wegen einer Verletzung am Zeh gefehlt. Sein Berater Dusan Bukovac wirkte gestern überrascht, nachdem er von Herthas Rückzieher gehört hatte. Bis zum Ende der Winterpause werde Simunic eine Entscheidung darüber getroffen haben, bei welchem Klub er in Zukunft spielen wird. Auch einen Wechsel in der Winterpause schloss der Berater nicht aus: „Wenn ein Angebot kommt, das für alle Seiten gut ist, dann kann man darüber reden.“ Laut „Kicker“ habe er bereits Kontakt zum AC Mailand. Es passt ins trübe Bild bei Hertha, dass der heimliche Kapitän wohl bald nicht mehr in Berlin spielen wird. Simunic hatte sich bereits in den Urlaub nach Australien verabschiedet.

Der Rest der Mannschaft musste auf dem nasskalten Rasen joggen und sich anschließend die Ansprachen von Manager und Trainer anhören. Auch Marcelinho hätte sich diese Worte anhören sollen. Doch der Brasilianer saß zu diesem Zeitpunkt bereits in einem Flugzeug Richtung Heimat. Mit der Genehmigung des Klubs.

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