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Sport: Mit Druck auf die Straße

In Monaco sind spezielle Formel-1-Autos nötig

Wenn die Formel-1-Szene nach Monte Carlo kommt, dann weiß jeder, dass Frühling ist. Aber nicht nur an Sonnenschein und angenehmen Temperaturen ist das zu merken. Sondern auch daran, dass einige Autos gegenüber den Rennen zuvor den Eindruck erwecken, als hätte bei ihnen eine unkontrollierte Wachstumsphase eingesetzt. Da sprießen plötzlich an allen Ecken und Rundungen der Autos neue Auswüchse in Form mehr oder weniger origineller Zusatzflügelchen – alles untergeordnet dem wichtigsten Anforderungsprofil auf dieser Strecke: Abtrieb, Abtrieb und noch einmal Abtrieb. Erst die dadurch erzeugte Bodenhaftung ermöglicht auf dem engen, winkeligen Stadtkurs eine optimale Straßenlage und damit schnelle Rundenzeiten.

Je professioneller ein Team ist, je wissenschaftlicher durchorganisiert seine Entwicklungsarbeit, desto geringer fallen die Anzahl und Ausmaße der Zusatzprodukte auf. Bei diesen Teams ergeben die neuen Teile, die zum größten Teil nur einmal im Jahr in Monaco zum Einsatz kommen, eher ein harmonisches Gesamtbild. So bei BMW, da spielt der Supercomputer Albert2 in der Aerodynamik-Entwicklung eine sehr große Rolle. Er kann die verschiedensten Lösungen in kürzester Zeit durchrechnen und optimale Versionen herausfiltern. Auf diese Weise hat man dann eben einen neuen Frontflügel sowie Modifikationen an der Heckverkleidung derartig optimiert, dass Zusatzteile sogar unnötig werden. „Ich habe selbst beim Testen ein paarmal nachgefragt, ob da nicht noch irgendwelche Zusatzflügel kommen“, sagte Reffnafher Nick Heidfeld leicht lächelnd, „aber offensichtlich nicht.“

Bei BMW gibt es dafür Neues, wo man es auf den ersten Blick nicht sieht. Unter der Verkleidung stecken bei den Weiß- Blauen an diesem Wochenende eine neue Servolenkung, die den Fahrern bei der Filigranarbeit im Leitplankenroulette des Fürstentums „mehr Feedback vermittelt“, wie BMW-Technikchef Willy Rampf erklärt. Dazu kommt eine neue Vorderrad-Aufhängung, die für die ganz engen Ecken einen größeren Lenkrad- Einschlagwinkel ermöglicht. Bei einem Top-Team wie BMW ist das komplette Konzept für Monaco durchgeplant: Es wird nicht improvisiert, sondern alle verwendeten Teile von Querlenker bis Spurstange sind neu konstruiert. Und auch die Bremsen, denen hier mangels langer Geraden weniger kühlender Wind als anderswo um die Scheiben weht, haben ein völlig neues Belüftungssystem erhalten.

Ganz neu ist das alles nicht. Komplexe Veränderungen an den Autos speziell für Monaco gab es auch schon vor 20 Jahren und früher. Allerdings mit einem wesentlichen Unterschied, wie Christian Danner, damals aktiver Fahrer und heute RTL-Experte, feststellt: „Klar war das schon immer so, dass man hier eine modifizierte Radaufhängung hatte, ein anderes Lenkgetriebe, spezielle Komponenten und Aerodynamikteile. Aber heute macht man das in einem viel größeren Gesamtzusammenhang. Man hat einen anderen Seitenkasten und ein anderes Kühlsystem. Wir mussten damals viel improvisieren. So wurden existierende Teile irgendwie nur modifiziert. Früher wurde viel mehr irgendwie hingebastelt, heute wird komplett neu gebaut.“

So, dass vom ursprünglichen Auto gar nicht mehr viel unverändert übrig bleibt. Außer dem reinen Monocoque, jener Kohlefaser-Schale, die das Herzstück einen heutigen Formel-1-Boliden bildet. Sollte es in Zukunft noch mehr Stadtrennen mit ähnlichen Anforderungen wie Monaco geben, dann würde sich das möglicherweise ändern. Über Rennen in Valencia, Singapur und Abu Dhabi wird bereits diskutiert. BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen hat jedenfalls schon einmal laut darüber nachgedacht, ob man sich dann nicht überlegen müsse, „für diese Stadtrennen ein komplett eigenes, neues Chassis zu bauen, das besonders auf die Anforderungen von solchen Kursen zugeschnitten ist. Es könnte sein, dass sich das dann wirklich lohnen würde.“

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