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Sport: Mit Langzeitwirkung

Jürgen Klinsmanns Vertrag läuft nur bis 2006, seine Maßnahmen aber reichen bereits darüber hinaus

In dieser Woche hat die Führung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wieder einmal erfahren, mit welcher Entschiedenheit Jürgen Klinsmann seine Aufgabe als Bundestrainer angeht. Am Mittwoch saßen die administrative und die sportliche Leitung des Verbandes zusammen, und unter anderem ging es um die Funktion des Technischen Direktors, die Klinsmann beim DFB eingerichtet sehen will. Bei dieser Gelegenheit hat er noch einmal für die Person Berti Vogts geworben, von dem er glaubt, „dass er die Rolle optimal besetzen würde“. Die DFB-Führung denkt da ein wenig anders, doch immerhin haben sich beide Seiten inzwischen geeinigt, die Frage erst nach dem Konföderationen-Pokal zu entscheiden.

Es ist fast ein bisschen verwunderlich, mit welchem Eifer Klinsmann das Thema angeht, zumindest wenn man voraussetzt, dass es ihm um die Sache geht und nicht um einen Freundschaftsdienst für den zurzeit beschäftigungslosen Vogts. Klinsmanns Vertrag als Bundestrainer endet nach der WM im kommenden Sommer, von der Arbeit des Technischen Direktors, der so etwas wie der Chef des DFB-Trainerstabes wäre, den Kontakt zu den Bundesligaklubs pflegen und entscheidenden Einfluss auf die Nachwuchsarbeit ausüben soll, würde Klinsmann demnach gar nicht mehr profitieren. Es sei denn, er hat andere Pläne, als 2006 aufzuhören.

Bisher hat Klinsmann seine eigenen Überlegungen zu diesem Thema streng geheim gehalten. Offiziell hat sich der Stand der Dinge seit dem ersten Kontakt im vergangenen Juli in New York nicht verändert. „Er hat damals klar gesagt, er wolle nur bis 2006 einen Vertrag abschließen“, sagt Gerhard Mayer-Vorfelder, der vor acht Monaten die Verhandlungen leitete. Darauf hätten sich beide Seiten „in vollem Einverständnis“ geeinigt. Theo Zwanziger, Mayer-Vorfelders Kopräsident, glaubt, inzwischen eine Veränderung bei Klinsmann festgestellt zu haben: „Zunächst hatte ich den Eindruck, dass er nur ein Projekt macht: die WM 2006. Aber mittlerweile habe ich das Gefühl, dass ihm das Projekt Spaß macht, und ich will nicht ausschließen, dass er für den Fall des erfolgreichen Verlaufes auch Spaß daran hat, nach 2006 weiter bei uns zu arbeiten.“ Bei Zwanziger, der nach der WM alleiniger DFB-Präsident sein wird, genießt Klinsmann mit seiner Arbeit alle Sympathie, obwohl beide, zum Beispiel in der Frage um das WM-Quartier, harte öffentliche Auseinandersetzungen geführt haben. Sollte der Bundestrainer also im Amt bleiben wollen, gäbe es im DFB wohl keinen Widerstand. Zwanziger will Klinsmann daher auch nicht drängen, auch wenn Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft, sagt, es werde „einen Zeitpunkt geben müssen, wo man sich zusammensetzen muss“. Allerdings habe die neue Führung der Nationalmannschaft über dieses Thema auch intern noch gar nicht diskutiert. „Zum Ende des Jahres werden wir uns konkrete Gedanken machen“, sagt Bierhoff.

Klinsmann und Bierhoff wissen selbst, dass sie bei ihrer Entscheidung auch von Faktoren abhängig sind, die sie nur bedingt beeinflussen können: vom Erfolg der Mannschaft bei der WM zum Beispiel. Scheiden die Deutschen wider Erwarten in der Vorrunde aus, wäre Klinsmann mit seinem Projekt gescheitert und müsste, so wie vor ihm Erich Ribbeck und Rudi Völler, zwangsläufig zurücktreten. Erreicht er sein Ziel und wird tatsächlich Weltmeister, könnte er sich wie 1990 Franz Beckenbauer berufen fühlen, auf dem Gipfel abzutreten. Es ist im Fußball nichts Größeres denkbar, als im eigenen Land die WM zu gewinnen.

Klinsmann weist schon jetzt immer wieder darauf hin, dass es in Deutschland in den nächsten 60 Jahren keine Weltmeisterschaft mehr geben werde. Das erklärt die Intensität, mit der er seine Aufgabe angeht, eine Intensität, die aber wohl nur für einen begrenzten Zeitraum möglich ist. „Bis jetzt haben wir nur 2006 im Kopf“, sagt Oliver Bierhoff. Die Frage ist, ob Klinsmann den gleichen Eifer auch dafür aufbringen kann und will, um sich für die Europameisterschaft in Österreich und in der Schweiz zu qualifizieren. Vermutlich nicht.

Doch unabhängig davon, wie lange Klinsmann Bundestrainer bleibt, weisen seine Maßnahmen bereits über 2006 hinaus, nicht nur die Idee, einen Technischen Direktor einzustellen. Viele von den jungen Spielern, die er in die Nationalmannschaft geholt hat, werden bei der Weltmeisterschaft gar nicht dem Kader angehören. Jürgen Klinsmann sagt: „Diese Spieler werden dann eben nach der WM ihre Auftritte bekommen.“ Unter welchem Bundestrainer auch immer.

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