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Sport: Mit neuer Haltung

Weil ihr Tennis wieder Spaß macht, kann Kim Clijsters Nummer eins werden

Es muss eine besonders schöne Dienstreise gewesen sein. Kim Clijsters jedenfalls strahlte. Und sie kreiste auf dem Drehstuhl kokettierend nach rechts und links. Sie habe es genossen, einmal nicht ins Flugzeug zu steigen, sondern mit dem Auto anzureisen. Für eine Weltklasseathletin im Tennis dürfte das ein ziemlich seltenes Erlebnis sein. Vater Clijsters fuhr seine Tochter nach Filderstadt, wo sie gestern ihr Auftaktmatch gegen die Kroatin Karolina Sprem 6:3 und 6:2 gewann. In Filderstadt kam sie, das jedenfalls behauptet die Französin Amelie Mauresmo, als „neue Spielerin“ an. Die Wandlung lag nicht an den Fahrkünsten ihres Vaters, sondern an einer langen Pause, zu der die 22-jährige Belgierin wegen einer Verletzung am Arm gezwungen war. Lange stand nicht einmal fest, ob sie jemals wieder die Kraft aufbringen würde zurückzukehren. Die ehemalige Nummer eins rutschte in der Weltrangliste ab, bis auf Position 133, ins Niemandsland der Tenniswelt. Fast ein Jahr lang war sie nach dem Finaleinzug bei den Australian Open im Januar 2004 nicht mehr Teil des um die Erde hastenden Tenniszirkus. Mauresmo behauptet nun, Clijsters habe die Pause genutzt, um gezielt an ihren Schwächen zu arbeiten. „Das stimmt“, bestätigt die Belgierin. „Ich fühle mich gut, die Gefühle sind so frisch und neu wie am Anfang meiner Karriere.“

Für manchen ist es schlicht ein Wunder, dass sie wieder in der Weltspitze dabei ist. Sollte sie die Russin Jelena Dementiewa als auch Mauresmo auf dem Weg ins Finale schlagen, gelänge ihr sogar der Sprung zurück auf Platz eins der Welt. „Vielleicht gehe ich mit einer neuen Haltung heran“, sagt die Rückkehrerin. „Ich will Spaß haben. Und ich habe nicht unbedingt mehr etwas gegen ein Tänzchen auf der Players–Party oder im Umkleideraum.“ Siege bedeuteten ihr viel nach der langen Verletzungspause. Die Schmerzen am linken Handgelenk sind verschwunden. Eine Sehne musste neu justiert werden, eine Zyste wurde entfernt. Kim Clijsters hat sich zurückgekämpft. Sie gewann ein Turnier nach dem anderen, sogar bei den US Open ihr erstes der Grand-Slam-Kategorie, und ist deshalb nicht nur der Kollegin Mauresmo etwas unheimlich geworden. Zu locker und zu selbstbewusst wirkt die junge Frau, die sich einst ein Poster von Steffi Graf in ihr Zimmer gehängt hatte, als sie noch daheim in Bilzen in Belgien von der großen Karriere träumte.

„Als ich nicht spielen konnte, war in meinem Hinterkopf: Es gibt noch so viele Dinge, die ich nicht erreicht habe. Vielleicht war die Verletzung gut, um reifer zu werden“, erzählt sie. Dass sie im Augenblick so viel Lust auf Tennis verspüre und mehr Kraft habe, liege an der langen Abstinenz. Der enorme Ehrgeiz, es noch einmal sich und allen anderen zu zeigen, beflügelte Kim Clijsters derart, dass sie es schaffte, innerhalb von ein paar Monaten vom aussichtslos abgeschlagenen Star vergangener Tage wieder zu einer gefährlichen Gegnerin der Gegenwart zu werden.

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