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Holland in Not. Die beiden Niederländer Rafael van der Vaart und Trainer Bert van Marwijk sollen ihren Beitrag zur Genesung des HSV leisten.

© dpa

Mitgliederversammlung beim HSV: Geld oder Seele

Der schwer angeschlagene Hamburger SV will sich am Sonntag bei seiner Mitgliederversammlung selbst retten. Fünf verschiedene Konzepte stehen zur Auswahl - es droht ein Zerfall in unvereinbare Lager.

Ohne Vorankündigung platzte es während der letzten großen Podiumsdiskussion aus dem ehemaligen Präsidenten Jürgen Hunke heraus: „Wir haben kein Vertrauen, keine Begeisterung im Verein. Kleine Klubs wie Mainz, Augsburg, Freiburg haben eine Power, eine Begeisterung, die mich mitreißt. Bei uns ist seit Jahren Streit. Es fehlt gute Führung. Es fehlt Unternehmenskultur.“

Da applaudierten die gut 100 Zuschauer im Radiohaus des Norddeutschen Rundfunks, meist Männer mit kleinen Bäuchen und schütteren, grauen Haaren. Am Dienstagabend hatten sich Hunke, Manfred Ertel und Ernst-Otto Rieckhoff ein letztes Mal getroffen, um für ihre Idee eines neuen HSV zu werben. Der Befund der drei unterschiedlichen Männer mit ihren unterschiedlichen Modellen eint sie: So kann es beim Bundesliga-Dinosaurier nicht weitergehen.

Für alle, die zum Hamburger SV halten, geht es an diesem Sonntag um die Zukunft ihres Klubs, um die ganz großen Fragen des Fußballs: Kann der HSV mit dem Geld von Investoren zu alter Größe aufsteigen? Oder verkauft der 126 Jahre alte Verein seine Seele, wenn fußballfremde Kapitalgeber einsteigen?

Am Sonntag schaut Fußball-Deutschland auf den HSV: Wird sich dieser Klub mit seinen hervorragenden Möglichkeiten endlich einen Rahmen geben, der ihn mit den geeigneten Männern an der Spitze dahin befördert, wo er zwischen Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre als Dauerrivale der Bayern war?

Die Verantwortlichen wissen, dass die ewigen Machtkämpfe, die ewige Cliquenwirtschaft, das generelle Misstrauen den Klub ebenso sehr lähmen wie die 100 Millionen Euro Schulden. Das Problem ist: Weil es fünf Modelle gibt, wie der HSV alsbald auftreten soll, und weil die Köpfe dahinter keinen Kompromiss wollen, sondern ihr Konzept für das beste halten, zerfällt der HSV wieder einmal in Lager.

Viele im Klub wünschen sich Felix Magath als Gesicht des Neuanfangs

Auf der einen Seite stehen die Ausgliederungsbefürworter von Rieckhoffs „HSVplus“ mit alten Granden wie Ditmar Jacobs, Holger Hieronymus und Thomas von Heesen im Hintergrund. Auf der anderen Seite die Ausgliederungsgegner der anderen vier Modelle. Unvereinbar. Dabei ist es im Prinzip simpel: Das Konzept, das am Sonntag die einfache Mehrheit der bis zu 10 000 Mitglieder erhält, muss vom Vorstand bis zur nächsten Mitgliederversammlung abstimmungsreif ausgearbeitet werden. Zur endgültigen Verabschiedung benötigt das Modell dann eine Dreiviertelmehrheit in der für das Frühjahr geplanten nächsten Versammlung.

Zur Abstimmung stehen am Sonntag im Kongresszentrum am Dammtor fünf verschiedene Konzepte. Als Favorit gilt „HSVplus“. Für die Gegenentwürfe „Zukunft mit Tradition“ und „HSV-Reform“ stehen Hunke und der jetzige Aufsichtsratschef Manfred Ertel. Hinzu kommen zwei weitere Modelle, denen nur Außenseiterchancen eingeräumt werden: „Rautenherz – zurück an die Spitze“, und „HSV21 – Drei-Säulen-Modell unter einem gemeinsamen Stiftungsdach.“

Der HSV ist einer von sechs Bundesliga-Klubs, die nach wie vor als eingetragene Vereine (e.V.) fungieren. Neben Hamburg sind das Schalke, Mainz, Freiburg, Stuttgart und Nürnberg. Hier gehört die Profi-Abteilung zum Gesamtverein. Bei den anderen zwölf Klubs sind die Profi-Abteilungen in eine privatwirtschaftliche Organisationsform (AG oder GmbH) ausgegliedert. Der Gesamtverein ist Hauptanteilseigner. Durch die 50+1- Regel ist mehrheitlicher Einfluss von Investoren ausgeschlossen.

Viele im Klub und im Umfeld wünschen sich Felix Magath als Gesicht des Neuanfangs – aber nicht als Trainer, sondern als Vorstandsvorsitzenden. Magath sagt, bisher habe ihn niemand gefragt. Verbürgt sind indes Gespräche mit Investor Klaus-Michael Kühne, jenem Milliardär, der dem HSV im Sommer 2012 Rafael van der Vaart kaufte. Kühne soll bereit sein, sofort nach einer Ausgliederung Anteile für 50 Millionen Euro zu kaufen. Magath sagt: „Der HSV ist längst kein großer Klub mehr. Um wieder einer zu werden, wäre es sinnvoll, wenn der Verein eine Persönlichkeit hätte, die ihn nach außen auch vertritt.“ Dass das in der momentanen Lage nur er selbst sein kann, weiß er natürlich.

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