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Sport: Motorschaden

Jan Ullrich kann im Finale der vierten Etappe der Deutschland-Tour Levi Leipheimer nicht aufhalten

Gesichter nach einem triumphalen Doppelsieg auf der Königsetappe sehen anders aus. Es lag auch nicht an der dünnen Luft in Gletscherhöhe von 2670 Metern, dass beim Team Gerolsteiner nach dem großen Coup auf dem Rettenbachferner der Atem zu ausgelassener Freude fehlte. Es hatte der Falsche auf der vierten Etappe der Deutschland-Tour von Kufstein nach Sölden gewonnen und war ins Gelbe Trikot geschlüpft: Levi Leipheimer hieß der Sieger, nicht Georg Totschnig. Jubelnd war der 31-jährige Amerikaner ins Ziel gerollt. Doch nach der Siegerehrung musste sich Leipheimer rechtfertigen, warum er auf dem letzten Kilometer dem Lokalmatadoren davongefahren war, statt dem zum Kapitän bestimmten Österreicher den Sieg zu überlassen.

Totschnig, der österreichische TourHeld, Sieger einer Pyrenäenetappe vor Lance Armstrong, wollte diese Etappe in seiner Heimat unbedingt gewinnen, fühlte sich vom eigenen Kameraden jedoch ein wenig im Stich gelassen. „Levi hat noch einmal nachgelegt, und ich bin deswegen ein bisschen enttäuscht“, sagte der 34 Jahre alte Tiroler, der, um 15 Sekunden geschlagen, Zweiter wurde.

Selbst Teamchef Hans-Michael Holczer „wäre glücklicher gewesen, wenn Georg gewonnen hätte“. Später korrigierte er seine Aussage: „Das ist hier kein Kinderspiel, sondern es geht um den Gesamtsieg.“ Im gleichen Atemzug verkündete Holczer auch, Jan Ullrich werde die Deutschland-Tour gewinnen. Denn mit einem dritten Platz, 50 Sekunden hinter dem Tagessieger, 35 Sekunden hinter dem Zweiten, hat der T-Mobile-Kapitän wegen des Zeitfahrens am kommenden Montag noch alle Chancen. Sein aktueller Rückstand: 56 Sekunden zu Leipheimer, 38 Sekunden zu Totschnig.

Levi Leipheimer fühlte sich „ein bisschen schuldig wegen Georg, denn ich weiß, er wollte in seinem Heimatland gewinnen, aber ich wollte so viel Zeit wie möglich gegen Ullrich gutmachen.“

Jan Ullrich liegt in guter Position und gab sich nach überstandener Erkältung überrascht: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich unter die ersten drei komme“, sagte er zufrieden, nachdem er über die Barrieren geklettert war und sich im Restaurant der Gletscherstation erst einmal in warme schwarze Kluft eingepackt hatte. Der Schlussanstieg von Sölden über 1354 Höhenmeter mit bis zu 16,2 Prozent Steigung sei viel schwerer zu bewältigen als Alpe d’Huez bei der Tour de France – nicht nur, weil das Ziel knapp tausend Meter höher liege, sagte Ullrichs Betreuer Rudy Pevenage. Nur fünfzig Meter hinter der Ziellinie liegt schon der Schnee. Auf dem Plateau werden am 22. und 23. Oktober auch die ersten Sieger der alpinen Skisaison gekürt. Für das atemberaubende weiße Panorama unter strahlender Sonne, für den steilsten Gletscher-Skihang Europas, hatten die ohnehin in der dünnen Luft nach Atem ringenden Radprofis indes keinen Blick

Warum Jan Ullrich nach couragierter und aggressiver Fahrweise den beiden Blauhemden vom Team Gerolsteiner auf den letzten drei Kilometern nicht mehr hatte folgen können, dafür fand der Deutsche eine für den Radsport untypische Erklärung. „Mein Motor ist geplatzt“, sagte er. Immerhin ließ der deutsche Radprofi den Rückstand auf den Sieger auf den letzten drei Kilometern nicht allzu sehr anwachsen: „Ich habe von unten bis oben mein Bestes gegeben. Aber dass überhaupt so hohe Straßen gebaut werden, wo man kaum noch Luft bekommt, das ist Tierquälerei.“ Ullrichs Teamkamerad Alexander Winokurow machte die Quälerei nicht mit. Der Tourfünfte gab auf.

Hartmut Scherzer[Sölden]

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