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Vereint im Schmerz. Mesut Özil (l.) und Miroslav Klose sagten gestern ab. Foto: dpa

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Sport: Mysteriöse Epidemie: Kehren die taktischen Absagen zurück?

Amsterdam - Oliver Bierhoff geriet ein wenig mit den Zeiten durcheinander. Er sprach im Imperfekt, da doch eigentlich das Präsens angebracht gewesen wäre.

Amsterdam - Oliver Bierhoff geriet ein wenig mit den Zeiten durcheinander. Er sprach im Imperfekt, da doch eigentlich das Präsens angebracht gewesen wäre. „Wir wollten das Spiel gegen Holland, das ja auch ein Prestigeduell ist, gewinnen“, sagte der Manager der Nationalmannschaft. Wollten? Das Spiel findet erst morgen statt.

Vermutlich war es nur ein Versprecher, doch angesichts all der unerfreulichen Nachrichten der vergangenen Tage wirkte er wie eine vorzeitige Kapitulation vor den Holländern: Wir wollten ja gewinnen, aber mit dieser Mannschaft … Kurz nach der Ankunft in Amsterdam musste Bundestrainer Joachim Löw die nächsten prominenten Absagen entgegennehmen. Mesut Özil (muskuläre Probleme) und Miroslav Klose (Grippe) stornierten ihre Teilnahme am Länderspiel in der Amsterdam Arena. Zuvor hatten sich schon Jerome Boateng, Bastian Schweinsteiger und Toni Kroos abgemeldet; Holger Badstuber und Sami Khedira sind schon länger verletzt. Nach Sebastian Jung und Sven Bender nominierte Löw daher am Montag auch noch den U-21-Nationalspieler Lewis Holtby für sein Team nach.

Die Flut an Absagen lässt sich natürlich auch als weiteres Misstrauensvotum gegen das Länderspiel in Amsterdam lesen. Aus der Bundesliga hatte es in den vergangenen Tagen mehr oder weniger heftigen Protest gegen den Termin gegeben; selbst Nationalspieler Thomas Müller hatte sich über die Begegnung lustig gemacht, die sonst immer als Höhepunkt im Sportkalender gilt. Jetzt ist genau das ein Problem: Ausgerechnet in dieser Phase der Saison, da die Belastung durch die Einsätze im Europapokal ohnehin überdurchschnittlich hoch ist, ein solch prestigeträchtiges Länderspiel anzusetzen, das ist für die Vereine der Nationalspieler nur schwer zu verstehen.

Andererseits kommt die Kritik von denselben Leuten, die sich früher an Länderspielen gegen Liechtenstein und Co. gerieben haben. „Seitdem ich Nationalspieler bin, wird jedes Jahr über den Termin im November diskutiert“, sagte Bierhoff. Bei allem Verständnis für die Beanspruchung der Spieler: „Eine einstündige Anreise nach Amsterdam und ein interessantes Spiel, das ist auch noch machbar.“

Ältere Beobachter fühlen sich an Zeiten erinnert, in denen die taktische Grippe oder die taktische Oberschenkelverhärtung rund um Länderspiele geradezu epidemische Ausmaße annahmen. Ob er sich über die seltsame Häufung an Ausfällen nicht auch ärgere, wurde Oliver Bierhoff gefragt. „Uns ärgert, dass die Spieler nicht hier sind“, antwortete er. Eine eingehende Gewissensprüfung der fehlenden Nationalspieler lehnte der Teammanager ab. „So viel Vertrauen haben wir zu den Vereinen“, sagte Bierhoff. „Und vor allem zu den Spielern.“ Stefan Hermanns

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