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Außer sich: Lucien Favre, Architekt des Gladbacher Aufschwungs, beim schwachen Auftritt seiner Mannschaft gegen den HSV.

© dpa

Nach dem 1:1 gegen HSV: Architekt Favre muss die Statik neu justieren

"Jeder weiß, dass er uns fehlt, aber wir wollen nicht jammern", sagt Borussias Trainer Lucien Favre. Das 1:1 gegen den Hamburger SV zeigt vor allem, wie schwer der Verlust eines Spielers wiegt.

Juan Arango moserte, Marco Reus motzte und wurde deswegen verwarnt, Igor de Camargo fiel nur auf, als er die größte Chance des Spiels nicht nutzte. Nur Mike Hanke behielt die Ruhe und erzielte, wenn auch aus dem Abseits, das Führungstor für Borussia Mönchengladbach beim 1:1 gegen den Hamburger SV. Von einem magischen Offensiv-Viereck konnte an diesem Freitag im Borussia Park nicht die Rede sein.

Stattdessen wurde Patrick Herrmann schmerzlich vermisst – der Sprinter aus der Originalbesetzung, der nach seinem Schlüsselbeinbruch, erlitten vor rund einer Woche im Punktspiel beim 1. FC Kaiserslautern, erst in knapp sechs Wochen wieder zurückerwartet wird. Der 21 Jahre alte Saarländer auf dem rechten Flügel war neben Reus so etwas wie das Perpetuum Mobile beim zuletzt ungebremsten Aufschwung der Borussia bis auf Platz zwei der Bundesliga-Tabelle. Schon bei der ersten Bewährungsprobe des leicht veränderten Quartetts aus der vordersten Borussen-Reihe zeigte sich, dass Herrmann kaum zu ersetzen sein wird. Ohne ihn wirkte der Gladbacher Sturm und Drang um 25 Prozent schwächer als in den vergangenen Wochen.

So wollten das die Spieler und Verantwortlichen beim fünfmaligen deutschen Meister natürlich nicht bestätigen. Doch eine kurze Anmerkung von Lucien Favre, dem Trainer und Schwungbeschleuniger der Neu-Gladbacher Fußballkunst, genügte schon, um die Bedeutungsschwere dieses Verlusts hinreichend zu skizzieren: „Patrick Herrmann ist einer der besten deutschen Offensivspieler“, sagte Favre. „Jeder weiß, dass er uns fehlt, aber wir wollen nicht jammern.“ Favres Feststellung belegte aber auch, dass die Reserven bei diesem unverhofften Titelkandidaten so dünn gesät sind, dass den Gladbachern wohl ein Champions-League-Platz, nicht aber die Meisterschaft bedenkenlos zuzutrauen ist.

Es wird an Baumeister Favre liegen, die Statik im Borussenspiel neu zu justieren. Am Freitagabend ist ihm dies noch nicht gelungen. Der Schweizer verschob den zuletzt als Sturmspitze glänzenden Reus auf die rechte Seite, von wo er mit seinem vertrauten Angriffspartner Hanke häufig die Position wechselte, Arango blieb wie gehabt links, und der Belgier de Camargo durfte endlich mal wieder von Beginn an im Sturm ran. Die auf den ersten Blick überschaubar anmutenden Veränderungen führten zu einem aus Gladbacher Sicht enttäuschenden Ergebnis: Wo vorher reger Betrieb herrschte, war diesmal wenig Bewegung im Spiel, wo zuvor Konterattacken blitzartig zu Toren führten, waren diesmal die Wege verstellt, wo mit Herrmann alles eingeübt wirkte, war diesmal alles wie eine schlecht synchronisierte Übungsstunde, die zum Nachsitzen einlud.

„Wir haben gegen eine gute Mannschaft gespielt, gegen die man Schnelligkeit und Durchsetzungskraft braucht“, dozierte Favre. „Das hatten wir heute nicht. Das war spielerisch zu wenig.“ Von dem zuletzt betörenden Zauber des Gladbacher Spiels war nicht mehr viel zu sehen – schon gar nicht nach Arslans verdientem Ausgleichstreffer für den selbstbewussten und wohlgeordneten HSV, der die ohnehin schon gedämpfte Laune der gebremsten Angreifer weiter eintrübte. Und so wird Lucien Favre vor dem kommenden Auswärtsspiel in Nürnberg am nächsten Sonntag weiter werkeln und basteln müssen, um Herrmanns Ausfall leidlich zu kompensieren.

Einen nützlichen Fingerzeig gab schon die Einwechslung Yuki Otsus, der den unter der Last der Erwartungen leidenden de Camargo ablöste. Danach endlich konnte Reus wieder in die erste Reihe an Hankes Seite zurückkehren, besetzte der Japaner den rechten Flügel und wurde das Angriffsspiel der Borussia griffiger. Zu spät, um den unter Trainer Thorsten Fink auswärts noch immer unbesiegten HSV in die Bredouille bringen zu können, und doch rechtzeitig, um daraus ein Indiz für die Komposition des Gladbacher Spitzenquartetts für die bevorstehenden Aufgaben ablesen zu können. Dann käme auf Igor de Camargo wieder jene ungeliebte Stand-by-Rolle zu, die er in diesem Jahr schon oft sehr gut gespielt hat: die des Jokers.

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