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Geschenke nur nach dem Spiel. Franck Ribéry steckt einem Fan sein Trikot zu.

©  AFP

Nach dem 3:0 in Barcelona: Die Bayern und die Aura der Silbervase

Mit einer Machtdemonstration in Barcelona untermauert der FC Bayern seinen Willen, endlich die Champions League zu gewinnen. "Wenn eine Mannschaft so überlegen ist, kann man nur gratulieren", lobt Barcas Kapitän Piqué.

Später am Abend legte sich der Ordnungsdienst noch mit Monsieur Ribéry an. Irgendeiner musste ja mal durchgreifen nach diesem Trauma, das der FC Barcelona gerade durchlitten hatte. Franck Ribéry scherte sich wenig darum und tanzte weiter, wie er vorher beim 3:0-Sieg des FC Bayern mit Barças Abwehrspielern getanzt hatte, diesmal allerdings mit einem Fan, der es irgendwie über die Absperrung geschafft hatte. Eine kleine Ewigkeit lang zerrten die Ordner am linken Arm des Flitzers, und als Ribéry endlich den rechten losließ, steckte er dem Abgeführten sein rotes Leibchen zu.

All das kam zur Aufführung unter lautstarkem Johlen des begeistert mitgehenden Münchner Anhangs ganz oben in der Kurve des Camp Nou. Weil Ribéry so spät noch so leidenschaftlich gekämpft hatte um eine einzelne Fanseele, machte schnell das Gerücht die Runde, es habe sich dabei um seinen Bruder gehandelt, und wie viele gute Gerüchte schaffte es dieses sogar ins Fernsehen. Mais non, sprach Ribéry zu noch späterer Stunde, der Mann habe nur ein bisschen Spaß haben wollen und er selbst auch.

Ohne das Gaunerstück des vermeintlichen Ribéry-Bruders wäre aus der Party von Barcelona wohl ein protokollarischer Pflichttermin geworden. Zu eindeutig war die Münchner Überlegenheit, zu logisch der Einzug in das Champions-League-Finale am 25. Mai im Londoner Wembleystadion, als dass Anlass gewesen wäre für authentisches Siegesgeheul.

So wie der Dortmunder Finaleinzug am Dienstag in Madrid ein Fest der Leidenschaft war, geriet die Münchner Qualifikation für das deutsche Klassentreffen in London zur kühlen Machtdemonstration. Allein Thomas Müller gab zu, „dass ich in der Kabine schon ein Bierchen getrunken habe, auf nüchternen Magen“ und dass er deshalb jetzt vielleicht ein paar sinnfreie Dinge erzählen werde – sie reduzierten sich auf die gar nicht so sinnfreie Erkenntnis, „dass wir sehr viel gelaufen sind und ein sehr gutes Spiel gemacht haben“. Das entsprach in etwa der gewohnt mineralwasserangeheiterten Analyse seines Vorgesetzten. „Meine Mannschaft war konzentriert und hat es verstanden, die taktische Marschroute umzusetzen“, konstatierte Trainer Jupp Heynckes. So ungefähr würde er das auch nach einem 2:0 in Frankfurt formulieren oder nach einem 3:0 gegen Mainz. Was zu sagen war, hatten die Bayern auf dem Rasen gesagt, und zwar in einer Deutlichkeit, die keinerlei Rückfragen erforderte.

Am meisten freute sich noch Bayerns spanischer Mittelfeldspieler Javi Martinez, denn der hatte zuvor „14- oder 15-mal gegen Barça gespielt und nie gewonnen. Dafür musste ich erst nach Deutschland kommen.“ Gerard Piqué bilanzierte als Chef jener Abwehr, die in neun Tagen sieben Tore gegen die Bayern kassierte: „Wenn eine Mannschaft so überlegen ist, kann man nur gratulieren.“ Das Fachblatt „Marca“ goss die Botschaft dieser Nacht von Camp Nou in den Satz: „In Europa bestimmt jetzt Deutschland.“

Verzweiflung und Ratlosigkeit machen sich breit in Spanien. Reicht es nicht, dass diese Frau Merkel uns über den Euro diktiert, wie wir zu wirtschaften haben? Müssen diese Deutschen uns auch noch zeigen, wie man Fußball spielt?

Immerhin das war doch über die Jahre eine spanische Domäne, mit drei aufeinander folgenden Titeln der Nationalelf, dem FC Barcelona als bester und Real Madrid als schillerndster Klubmannschaft der Welt. Jetzt schwächelt die Nationalelf auf dem Weg zur WM nach Brasilien, Real scheiterte am Dienstag trotz der Mobilisierung aller Reserven in der Champions League an Borussia Dortmund. Und der FC Barcelona war im Camp Nou so chancenlos wie vor einer Woche beim 0:4 in München, als noch Lionel Messi unter den Vorgeführten geweilt hatte. Diesmal mochte ihm Trainer Tito Vilanova einen Einsatz nicht zumuten, wegen nicht näher definierter Muskelprobleme. „Wenn es eng geworden wäre, hätte ich ihn vielleicht gebracht“, sagte Vilanova.

Aber es wurde nie eng, nicht mal in der torlosen ersten Hälfte, die Barça immerhin vom Ergebnis her ausgeglichen gestaltete. „Barcelona mit oder ohne Messi, das ist natürlich ein Unterschied“, sagte Vilanovas Kollege Heynckes. Seine Arbeit bei den Bayern geht in ein paar Wochen zu Ende, und sie hat mit all ihren Erfolgen Begehrlichkeiten geweckt, auch und gerade bei den gedemütigten Spaniern. Bei Real Madrid wird wohl bald ein Job frei, aber Heynckes hat kein Interesse: „Am 9. Mai werde ich 68, ich bin jetzt 50 Jahre im Profifußball, irgendwann ist es genug.“ Und: „Real hat mich nicht kontaktiert.“

Am Samstag kann er mit den Bayern in der Bundesliga gegen Dortmund schon mal ein bisschen Champions-League-Finale spielen, aber auch nur ein bisschen. „Eine richtige Generalprobe wird das nicht“, sagte Heynckes, „beide Mannschaften werden sicherlich durchwechseln.“ Mit den Köpfen sind sie alle schon in London und bei der hässlichen Silbervase, die sie bei den Bayern „das Ding“ nennen. „Der Wille ist extrem groß, das Ding zu holen“, erzählte Thomas Müller mit dem Mut eines auf nüchternen Magen getrunkenen Bieres. „Wenn du in vier Jahren dreimal im Finale steht und das Ding nicht gewinnst, musst du dir Gedanken machen. Wir haben Respekt vor Dortmund, mehr aber auch nicht.“ Und was das Bundesligaspiel am Samstag betrifft: „Wie das ausgeht“, sprach Müller, „ist mir scheißegal!“

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