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Traumberuf Lokführer: Willi Struwe macht weiter – trotz des Unfalls.

© Carsten Hartwig

Nach dem Arbeitsunfall auf den Gleisen: Er verlor sein Bein, nicht aber seinen Traum

Lokomotivführer war schon immer sein Traumjob. Doch dann verlor der junge Bahnmitarbeiter Willi Struwe bei einem Unfall ein Bein - jetzt arbeitet er mit Prothese weiter.

Manchmal muss er um drei Uhr morgens in der Bahn sitzen. Nicht, um zur Arbeit zu fahren – nein, die Lokomotive ist Willi Struwes Arbeitsplatz. „Bei der Bahn läuft alles nach Schichtplan ab“, erzählt der 23-Jährige, „deshalb muss ich oft sehr früh aufstehen. Es kann aber auch sein, dass ich erst am Nachmittag beginne.“ All das macht Struwe nichts aus. Er hat es sich selbst ausgesucht – Lokführer als Traumberuf.

„Schon seit ich denken kann, ist es mein Traum, einen Zug zu fahren“, sagt er. Dafür änderte er sein Leben: Vor sechs Jahren schmiss er das Abitur und machte eine Ausbildung bei der Deutschen Bahn. Die Lok selbst führen durfte er damals noch nicht. Das ist erst mit 21 erlaubt; Struwe war damals 20 Jahre alt. Doch kurz vor seinem Geburtstag im März 2013 hatte er einen Arbeitsunfall. Beim Rangieren rutschte er auf einer vereisten Stelle aus, stürzte und verlor dabei sein rechtes Bein.

"Lasse mir meinen Traum nicht kaputt machen"

Das brachte den jungen Mann aus Berlin-Hellersdorf aber nicht von seinem Ziel ab. „Davon lasse ich mir meinen Traum nicht kaputt machen“, dachte er und versuchte nach dem Unfall nach vorne zu schauen. Für Struwe stand fest: „Ich möchte so schnell wie möglich zurück an die Arbeit.“ Mithilfe einer 60 000 Euro teuren Prothese hat das vergleichsweise gut geklappt. Diese hat die gesetzliche Unfallversicherung Bund und Bahn finanziert, die bei Arbeitsunfällen zuständig ist. Sie hat ihn auch bei der Rehabilitation unterstützt, sodass er letztlich den Schock nach dem Unfall ganz gut überwinden konnte. Im Unfallkrankenhaus Berlin in Marzahn lernte er durch Geh- und Bewegungsübungen schnell wieder, sicher zu stehen und sich fortzubewegen.

Nur Rennen ist schwierig

„Meine Trainer aus der Gehschule, Arbeitgeber, Kollegen, Familie und Freunde haben mir während der Reha-Zeit sehr geholfen“, sagt Struwe, „ohne diesen Zuspruch hätten der Heilungsprozess und die Eingewöhnungszeit an die Prothese sicher länger gedauert.“ Bereits im Februar 2014 stand er wieder auf den Gleisen. Seine Kollegen seien begeistert gewesen, wie positiv er mit dem Unfall umgegangen sei. „Es hat sich schnell rumgesprochen“, erzählt Struwe. Auch die Mitarbeiter, mit denen er eigentlich wenig zu tun hatte, redeten jetzt mit ihm.

Beeinflusst ihn die Prothese bei seiner Tätigkeit? „Bei meiner Arbeit sitze ich meist nur“, sagt er. Und dennoch: Um zu den Zügen zu kommen, muss er auch Strecken zu Fuß zurücklegen. Anfangs sei es eine „wacklige Angelegenheit“ gewesen – vor allem, wenn er über Hindernisse steigen musste. Inzwischen habe er sich daran gewöhnt. Nur Rennen sei schwierig. Dafür ist Struwes Prothese nicht gemacht, einzig Spezialanfertigungen für Sportler ermöglichen dies. Beim Arbeiten sei er nun viel vorsichtiger. „Das kommt schon daher, dass ich nicht so schnell gehen kann wie vor meinem Unfall.“

Willi Struwe denkt positiv, ist aber auch Realist: „Durch meine Einschränkung werde ich wohl nicht bis zur Rente als Lokführer arbeiten können“. Deshalb schaut er sich schon jetzt nach geeigneten Studiengängen um. „Ich könnte mir vorstellen, Menschen zum Lokführer auszubilden“.

Tillmann Bauer, 19 Jahre, Heidelberg

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