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Enttäuschend. Hertha rutscht immer tiefer in den Tabellenkeller.

© dapd

Nach dem HSV-Spiel: Hertha BSC: Verloren im Absturz

Hertha spielt, wie Hertha geführt wird – ohne Freude, ohne Impulse und ohne Energie. Was braucht die Mannschaft jetzt, um die Wende zu schaffen? Diskutieren Sie mit!

Irgendwann im samstäglichen Kick gegen den Hamburger SV, also mitten im Abstiegskampf, hat sich Herthas Verteidiger Christoph Janker den Jochbeinbogen gebrochen. Janker ist inzwischen operiert, es geht ihm besser. Der eigentliche Patient aber ist Hertha selbst. Denn durch das 1:2 im Olympiastadion ist für Berlins Bundesligisten mehr kaputtgegangen. Nach zwei Niederlagen in der Rückrunde, bei nur einem Tor und null Punkten hat sich die Überzeugung auf den Klassenerhalt verflüchtigt, mindestens. Selbst der Glaube daran ist erschüttert.

Am Tag danach steht Michael Skibbe auf dem Trainingsplatz im Hinterland des riesigen Stadions in ausgetretenen Fußballschuhen im Schnee und guckt traurig aus seinem unrasierten Gesicht. Wie soll er auch gucken? Er, den sie vor Weihnachten aus einem türkischen Arbeitsverhältnis herausgekauft haben, weil sich Herthas Manager Michael Preetz mit Skibbes Vorgänger Markus Babbel überworfen hatte. Weil dieser seinen Vertrag zwar erfüllen, nicht aber über die Saison hinaus verlängern wollte. Was eigentlich legitim sein sollte. Skibbe betreute Hertha durch die Winterpause und jetzt zwei Spiele. Bei den Namen seiner Spieler muss er manchmal überlegen. Er hat einen denkbar schlechten Start hingelegt. Doch vermutlich kann er im Moment am allerwenigsten etwas für die Lage.

Und die Lage ist nicht gut. Die Mannschaft hat schon zum Ende der Hinrunde geschwächelt und sechs Bundesligaspiele nicht mehr gewinnen können. Richten sich die vielen Fragen, die von Misserfolg zu Misserfolg an Schärfe gewinnen, an den Richtigen? Jetzt steht der 46-Jährige in der Berliner Kälte und sagt, dass er der Mannschaft gerade etwas „ins Büchlein geschrieben“ habe. Es werden nicht die wärmsten Worte gewesen sein. Gleich nach der Niederlage gegen den HSV hatte er gesagt, dass ihre Leistung „unter Bundesligaschnitt“ gewesen sei.

Nicht auszudenken, was passiert, wenn Hertha auch die beiden kommenden Heimspiele verliert, das gegen Hannover 96 und vier Tage später im Pokal gegen Mönchengladbach. Dann wird es richtig happig in Berlin.

Dabei gerät zur Nebensache, wie Skibbe sich nach den Sperren von Andre Mijatovic und Christian Lell sowie Jankers Verletzung überhaupt eine Defensive bastelt. Es gibt größere Probleme. Was wird aus Hertha? Was sagte Skibbe doch: Die Mannschaft habe „unsauber gespielt, unsauber gepasst, ohne Mut zu gutem Fußball“. Dem Team fehlte es zum wiederholten Mal an taktischem Geschick, an System, an Organisation, an Kreativität. Man könnte auch sagen, Hertha spielt im Winter 2012, wie Hertha derzeit geführt wird. Da ist so wenig Spaß, so wenig Freude, so wenig Optimismus, so wenig Energie. Außenstehende wundern sich, wie wenig der Klub von Berlin hat. Auf sie wirkt Hertha nicht nur impuls- und ideenlos, sondern vielmehr verkniffen, bisweilen blasiert, aber insgesamt gefangen in einer beklemmenden Atmosphäre.

Hertha BSC steht vor schwierigen Wochen

Wo ist Michael Preetz? Der Manager, 44 Jahre alt, der schon im vorigen Jahr nach einer für die Seele des Vereins schmerzvollen Derbyniederlage gegen den 1. FC Union drei Tage nicht zu sehen war. Zuletzt trat Preetz durch eine unseriöse Trennung von Babbel wie zuvor von Trainer Lucien Favre in Erscheinung.

Preetz handelt in Abstimmung mit Werner Gegenbauer, dem Abstiegs- und Aufstiegspräsidenten des Vereins, der kein präsidialer Grüßgottonkel ist, sondern dessen Wirken tief ins Tagesgeschäft ragt. Gegenbauer lässt seit Jahr und Tag kein Trainingslager aus, kaum ein Spiel der Mannschaft und kaum eine Pressekonferenz, die unmittelbar nach den Spielen stattfinden.

Der 61 Jahre alte Unternehmer, der jahrelang die verschwenderische Politik des allmächtigen Dieter Hoeneß stützte, ehe er ihn 2009 verdrängte und dessen Machtfülle übernahm, war es, der im selben Jahr Lucien Favre zu einer Vertragsverlängerung bis 2013 überredete, zwei Monate vor dessen Entlassung, und in Verkennung der Lage im Herbst 2009 von einer „temporären sportlichen Delle“ sprach, die ein halbes Jahr später direkt in den Absturz in die Zweite Liga mündete. Noch im November 2009 sagte Gegenbauer, man habe sich in Favre geirrt. Gegenbauer hievte Preetz damals auf den Geschäftsführerposten und ließ nach dem Wiederaufstieg dessen bis 2012 laufenden Vertrag bis 2014 verlängern. Gegenbauer ist auch derjenige, der, so denken viele im Verein, mit Millionen Euro für Genussscheine den Klub am Leben erhielt und vielleicht sogar der geheimnisvolle Investor jener acht Millionen Euro sein könnte, die die „temporäre sportliche Delle“ ausbeulten. So genau wissen das nicht mal Gegenbauers Präsidiumsmitglieder. Der Investor hat sich absolute Anonymität erbeten. Egal. Gegenbauer widerspricht diesem Eindruck. Ihm reicht vielleicht, dass alle es ihm zutrauten.

Zu Beginn des Jahres 2012 steht Hertha BSC vor schwierigen Wochen. Mit den Berlinern geht es nicht rasant, aber kontinuierlich abwärts. Als Michael Skibbe übernahm, lag Hertha vier Punkte vom Relegationsplatz entfernt. Jetzt sind es zwei, und „es können schnell weniger werden“, sagt Skibbe. Einen weiteren Abstieg dürfte der Klub nicht noch einmal so komfortabel überstehen. Und dann dürfte es auch für andere im Klub eng werden.

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