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Quo vadis Sotschi? Die Zuschauer verlassen die Abschlussfeier im Fischt-Stadion. Im Herbst startet hier ein Formel-1-Rennen.

© dpa

Nach der Olympia-Abschlussfeier: Was von Sotschi bleibt

Die olympischen Spiele von Sotschi sind vorüber, die Flamme am Fischt-Stadion ist erloschen. Nach den Paralympics soll im Oktober dort die Formel 1 starten, 2018 ist die Fußball-WM zu Gast. Und sonst?

Zur Abschlussfeier war das Fischt-Olympiastadion am späten Abend noch einmal festlich in bunten Farben erleuchtet. Im Hintergrund schillerte das Schwarze Meer, klassische Musik hallte durch Sotschis Stadtteil Adler. Ein Streifzug durch die russische Kulturgeschichte rundete die Winterspiele von Sotschi ab, große russische Schriftsteller, Komponisten und Tänzer waren Thema im Stadion. Wieder schwebten mit Helium gefüllte Kulissen durch die Arena und das obligatorische Feuerwerk zum Schluss durfte natürlich auch nicht fehlen.

Insgesamt war es vor der übertreiben bombastischen finalen Zündelei eine gelungene und weit weniger pompös-pathetische Feier als noch die Eröffnungsfeier 17 Tage zuvor. Nach knapp zweieinhalb Stunden Abschlussfeier gingen die Winterspiele von Sotschi am Sonntagabend zu Ende. Die olympische Fahne war bereits zur Hälfte der Feier dem Bürgermeister von Pyeongchang übergeben, in der südkoreanischen Kleinstadt finden 2018 die 23. Winterspiele statt. 

Es war der Abschied von den Winterspielen, mit denen sich Wladimir Putin ein Denkmal hat schaffen wollen. Und der Präsident Russlands hat das von seiner Warte aus auch geschafft. Nach seinem Selbstverständnis war Sotschi eine Veranstaltung auf Weltniveau und von höchster Stelle wird Putin in dieser Annahme auch bestätigt. Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), sagte bei der Abschlussfeier: "Unsere russischen Gastgeber hatten gute Sportstätten und Bedingungen versprochen und heute Abend können wir sagen, dass Russland alles erfüllt hat, was es versprochen hat. Dies waren die Spiele der Athleten." Vor der Feier hatte Bach schon gesagt:  „Wladimir Putin war entscheidend beteiligt am großen Erfolg der Spiele.“ Er hoffe nur, dass das Land – und damit meine er auch die politische Führung – vom Erfolg dieses Ereignisses profitieren könne.

Was bleibt von Sotschi? Materiell hat Olympia zumindest in der Region Krasnodar eine moderne Infrastruktur geschaffen. Auf Kosten der Umwelt existiert jetzt ein gutes Verkehrsnetz, es gibt unzählige Hotels auf gutem Standard im Skigebiet rund um das Retortenbergdorf Krasnaja Poljana. Jetzt könnten die Touristen eigentlich dorthin kommen. Zunächst einmal kommen aber noch die Paralympics – und die stellen das Russland, das sich laut Putin weltoffen präsentiert hat, vor eine erste Probe nach Olympia: Behinderten gerecht ist in Sotschi längst nicht alles. Es gibt Gondelstationen, die nur über lange Treppen zu erreichen sind, und öffentliche Gebäude ohne Rollstuhlrampen.

Das Olympiastadion Fischt soll 2018 WM-Spiele beherbergen

Es sind also noch Investitionen nötig in einer Region, in die für Olympia 30 bis 50 Milliarden investiert wurden. Die Angaben schwanken mangels offizieller Zahl, Fakt ist aber, dass es die teuersten Winterspiele aller Zeiten waren. Und ihre Hinterlassenschaften werden auch noch kosten.

Die temporären Stahlrohrtribünen in den alpinen und nordischen Skistadien können ohne großen Aufwand abgebaut werden, im Olympiapark von Adler sieht das schon anders aus. Da sollen viele der Riesenhallen zurückgebaut werden. Womöglich bleibt langfristig nur das Olympiastadion Fischt, das Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 beherbergen soll. Und im Oktober sollen erstmals die Boliden beim Großen Preis von Russland über das Olympiagelände düsen – der Vertrag mit der Formel 1 läuft bis 2020.

Doch die Frage der geistigen Nachhaltigkeit der Spiele ist mindestens genauso spannend wie die Frage ihrer materiellen Nachhaltigkeit. Und sie lässt sich schwerlich beantworten. Auf den ersten Blick fehlten vor allem die großen Stars, Momente und Emotionen, kurz: der große Glanz. Der Großteil der Zuschauer der Spiele waren Russen. Dass ihnen – abgesehen von sportlichen Ergebnissen – irgendetwas nicht gefallen hat, war nicht auszumachen. Was wohl auch daran liegt, dass die russische Mentalität vieles mit mehr Gleichmut hinnimmt als der Westeuropäer.

Inoffiziellen Erhebungen zufolge interessieren sich nur fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung für die aktuelle Politik. Wladimir Putin ist insgesamt eher beliebt, viele seiner Bürger sind aber auch desinteressiert an einem Staat, dessen Rechtsprechung sie nicht trauen. So nach dem Motto: Wenn du dich davor fürchtest, kümmerst du dich nicht darum. Wladimir Putin bekam auch am Sonntag bei der Abschlussfeier bei seiner Vorstellung kaum Applaus, aber kaum Pfiffe. Die Reaktion des Publikums wirkte eher desinteressiert - sehr euphorisch war die Stimmung dagegen als die letzten drei russischen Medaillengewinner im 50-Kilometer-Massenstart im Stadion präsentiert wurden.

Ausländische Fans waren in Sotschi in der Minderheit

Von außen zu erwarten, dass Olympia der russischen Gesellschaft auf den Weg zu mehr Demokratie verhelfen konnte, war daher wohl vermessen. Die wenige Welt, die in Sotschi war – Fans aus dem Ausland waren klar in der Minderheit – hat eher verstanden, dass der russische Nationalstolz nicht gelitten hat unter Putin. Wo immer ein russischer Sportler eine Medaille gewann, jubelte das Volk. Wo immer ein Russe nicht gewann, flüchtete das Volk. Sofort. Ein Mittelfeld gab es nicht, olympisch fairen Applaus sowieso nicht.

Die olympischen Sportstätten waren auf einem sehr hohen Standard, was angesichts der zu hoch erscheinenden Investitionen allerdings auch selbstverständlich war. Wegen der vielen Sicherheitskontrollen kam vielleicht nicht immer große Stimmung besonders bei den wenigen internationalen Zuschauern auf. Aber die politische Situation zwang ja nicht erst Russland zu Sicherheitsspielen, die hatte es auch schon in Peking 2008 oder in London 2012 gegeben. Aber wer feiert schon gern eine Party im gefühlten Gefängnis? Viele Fans aus Europa nicht, sie blieben Sotschi lieber fern. Das ist auch noch eine Botschaft, die die Spiele von Russland hinterlassen: Olympia wird es auch in Zukunft schwer haben in einer Welt mit wackelnden politischen Machtverhältnissen und der Angst vor drohenden Terroranschlägen.

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