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Zuversicht sieht anders aus. Herthas Spieler (hier Raffael, Ronny und Bastians, von links) müssen gerade den Eindruck haben, alles habe sich gegen sie verschworen. Foto: AFP

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Sport: Nach der Wut

Hertha BSC muss nach neun sieglosen Ligaspielen in Folge gegen den VfB Stuttgart die Eigendynamik des Misserfolgs stoppen. Auch die Schwaben haben seit sieben Spielen in der Liga nicht mehr gewonnen.

Michael Skibbe saß ein wenig zusammengesunken hinter dem Mikrofon, seine Schultern hingen auf halbmast, und die Stimme wirkte reichlich dünn. Es war am Mittag nach dem Pokalaus. Als Skibbe, der Trainer von Hertha BSC, um eine Einordnung der Ereignisse vom Abend zuvor gebeten wurde, verweigerte er die Aussage. „Ich bin noch zu emotional“, sagte Skibbe.

An Emotionen besteht bei Hertha derzeit kein Mangel: Enttäuschung, Angst, Verzweiflung, von allem ist etwas dabei, und seit Mittwochabend, seit dem verbotenen Rendezvous von Roman Hubnik mit dem Mönchengladbacher Igor de Camargo, ist noch jede Menge Wut dazugekommen. Hilft die vielleicht sogar im Abstiegskampf, im wichtigen Spiel beim VfB Stuttgart am Samstag? „Wir sind sowieso alle auf den Klassenerhalt fokussiert“, sagt Skibbe. „Das kann gar nicht noch mehr Motivation sein.“

Herthas Trainer mag im Moment ein wenig fahl rüberkommen; in all seinen Aussagen aber ist und bleibt Skibbe kompromisslos positiv. Damit konterkariert er nicht nur Herthas real existierende Tabellensituation mit dem Absturz an den Rand der Abstiegszone; er widersetzt sich auch der allgemeinen Stimmung, die sich durch das Ausscheiden im Pokal und seine unappetitlichen Begleitumstände nicht gerade verbessert hat. „Wir sind körperlich und mental angeschlagen“, sagt Herthas Kapitän Andre Mijatovic. Immerhin konnte Lewan Kobiaschwili am Abschlusstraining teilnehmen. Sein Einsatz beim VfB ist nicht in Gefahr.

Man muss trotzdem über eine stabile Psyche verfügen, um als Angestellter von Hertha gerade nicht zu dem Eindruck zu gelangen, dass alles schief geht, was schief gehen kann. Mit ihrem neuem Trainer haben die Berliner die ersten vier Spiele des Jahres verloren, dazu in 390 Spielminuten nur ein einziges Tor erzielt. „Es gibt immer mal Phasen, in denen der Ball nicht dahinkommt, wo man ihn hin haben will“, sagt Skibbe. „Aber die Mannschaft lässt wenig zu und hat viele Chancen. Das wird über die Saison belohnt.“

Es wird schon werden, lautet Skibbes Botschaft an seine Belegschaft. Dabei sieht es im Moment eher so aus, als würde Hertha von der Eigendynamik des Misserfolgs erfasst, die vor allem jene Mannschaften trifft, die vom Schicksal gerade ohnehin nicht bevorzugt werden. Die Berliner haben das selbst vor zwei Jahren, in ihrer Abstiegssaison, erlebt. Auch damals fühlten sie sich in Serie vom Schiedsrichter benachteiligt; sie verloren Spiele, die sie nach eigener Einschätzung niemals hätten verlieren dürfen; sie vergaben Chancen, die sie nicht hätten vergeben dürfen, und kassierten Tore, die sie nicht hätten kassieren dürfen.

„Es hilft nichts, mit seinem Schicksal zu hadern“, sagt Manager Michael Preetz. „Es hilft nur, dagegen zu arbeiten.“ Torwart Thomas Kraft hält es für notwendig, „dass wir mal ein positives Ende für uns erzwingen“. Sonst nützen all die guten Ansätze, die Trainer Skibbe auch im Pokalspiel gegen Gladbach gesehen hat, irgendwann nichts mehr. Vielleicht aber hilft es Hertha, dass sich der VfB Stuttgart in einer ähnlich schwierigen Situation befindet. Die Schwaben sind seit sieben Bundesligaspielen ohne Sieg und am Mittwoch ebenfalls aus dem Pokal ausgeschieden. „Sie haben ihre Sorgen“, sagt Mijatovic, „wir haben unsere.“ Wie zwei angeknockte Boxer werden sich Hertha und der VfB gegenüber stehen, und die Frage wird sein: Wer setzt den entscheidenden Schlag? „Manchmal sind angeschlagene Mannschaften am gefährlichsten“, sagt Michael Skibbe. „Ich hoffe, wir sind am Samstag gefährlicher als die Stuttgarter.“ Angeschlagener sind die Berliner auf jeden Fall.

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