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Thomas Tuchel (l.) und Jürgen Klopp.

© REUTERS

Nach Dortmunds 1:1 gegen Ex-Trainer Jürgen Klopp: Thomas Tuchel: "Kann sein, dass der Hype uns gehemmt hat"

Gegen seinen Ex-Trainer wirkte Borussia Dortmund beim 1:1 seltsam verkrampft. Jürgen Klopp genoss dagegen seine Rückkehr und geht optimistisch ins Rückspiel.

Jürgen Klopp besitzt eine Vergangenheit als beinharter Verteidiger, aber an seiner Sozialisation lag es wohl nicht, dass ihn die formvollendete Grätsche seines Rechtsverteidigers Nathaniel Clyne in echte Ekstase versetzte. Kurz vor dem Ende des Viertelfinal-Hinspiels in der Europa League hatte sich Borussia Dortmund beim Stand von 1:1 noch einmal eine gute Konterchance eröffnet. Henrich Mchitarjan war kurz vor der Mittellinie, genau auf Höhe Klopps, und vor ihm tat sich nur noch viel freier Raum auf. Clyne rutschte über den nassen Rasen und spitzelte den Ball gerade noch über die Seitenlinie. Klopp ballte die Faust und drehte sich einmal um die eigene Achse. So ausgelassen hatte er nicht einmal den Führungstreffer kurz vor der Pause gefeiert.

Der Trainer des FC Liverpool ist bekanntermaßen ein Emotionsmonster, aber am Donnerstag, bei seiner Rückkehr nach Dortmund, schien er um größtmögliche Zurückhaltung bemüht. Als Klopp eine halbe Stunde vor dem Anpfiff den Rasen betrat, fingen die Fans in der Südkurve an zu klatschen. Auf Sprechchöre verzichteten sie. „Ich bin nicht ganz sicher, ob der angenehme, respektvolle Applaus wirklich für mich gedacht war“, sagte Klopp später. „Wenn’s so war, fand ich’s echt angemessen. Mehr war nicht notwendig.“

Klopp war ganz froh, dass Dortmunds Vorstandschef Hans-Joachim Watzke ihn vor dem Spiel kurz an seine Brust gedrückt hatte. Er deutete das als Aufhebung der Kontaktsperre und ging nach dem Abpfiff von einem Dortmunder Spieler zum nächsten, um ihn kurz zu herzen. „Ich habe mich nach dem Spiel doch gefreut, dass ich die Jungs noch drücken konnte“, berichtete Klopp. Sein Nachfolger Thomas Tuchel lief immer ein paar Meter vor ihm her, und von oben sah es fast so aus, als versuchte er, seinem Vorgänger zu entkommen. Tuchel hatte mit der ganzen Konstellation ganz offenbar mehr Probleme als Klopp. Und seine Mannschaft erst recht.

„Es war für ihn ein sehr besonderes Spiel“, sagte Liverpools deutscher Nationalspieler Emre Can über seinen Trainer. Sieben Jahre hatte Klopp in Dortmund als Trainer gewirkt. Sieben Jahre, in denen er den Klub aus grauem Mittelmaß zurück in die Spitze des europäischen Fußballs geführt hatte. „Wenn ich jetzt sagen würde, es hätte mich aus meiner Mitte gerissen, wäre es gelogen“, sagte Klopp. „Aber ich hatte vor dem Spiel mehr Momente als sonst, wo ich über die Begleitumstände nachgedacht habe.“ Das Dortmunder Stadion sei ja immer noch ein großartiger Ort zum Fußballspielen, und er habe sich auch nicht entliebt. Aber während der 90 Minuten „war ich komplett im Spiel drin“.

Kaum war Klopp an der Seitenlinie, spielte Mchitarjan wieder schwach

Von der Dortmunder Mannschaft konnte man das nicht behaupten. Der BVB hatte erkennbar größere Schwierigkeiten mit dem Wiedersehen und der daraus resultierenden Sentimentalität. „Wir sind nicht mal nah an unser Maximum gekommen“, sagte Kapitän Mats Hummels. Trainer Tuchel hatte sein Team „zu verkrampft, zu verbissen“ erlebt. „Es sah so aus, als ging’s und nicht so leicht von der Hand, wie es nötig ist.“ Kaum stand Jürgen Klopp wieder an der Seitenlinie, spielte zum Beispiel Henrich Mchitarjan wieder wie in der vergangenen Saison: fahrig, glücklos, immer mit sicherem Geschick die falsche Entscheidung treffend. Ob es auch an dem ganzen Hype um Klopp gelegen habe, wurde Tuchel gefragt. „Kann sein“, antwortete er.

Für Tuchel kam das etwas überraschend. „Im Training habe ich die Spieler sehr ruhig, sehr konzentriert wahrgenommen, als wären wir im Zentrum des ganzen Sturms“, da also, wo man von dem ganzen Wirbel nichts mitbekommt. Im Spiel aber gelang es seiner Mannschaft nicht, mit einem Lächeln auf den Lippen zu spielen. Der BVB wirkte zwar insgesamt reifer, aber Klopps Liverpooler fanden mit ihrer Mischung aus guter Defensivorganisation und forschem Pressing ein wirksames Mittel gegen das Dortmunder Spiel. „Wir hatten einige richtig gute Momente, in denen wir gezeigt haben, wozu wir fähig sind“, sagte Klopp. Das 1:1 gab die Kräfteverhältnisse einigermaßen treffend wieder, eröffnet den Liverpoolern aber leicht bessere Chancen aufs Weiterkommen.

Für Jürgen Klopp ist das Rührstück damit vorüber. „Jetzt ist es rum, und alles ist gut“, sagte er. Für die Dortmunder aber geht es in ähnlicher Intensität weiter. Vor dem Rückspiel am Donnerstag steht für sie noch das Revierderby beim FC Schalke an. „Da ist eine ähnliche Emotionalität im Spiel, eine ähnliche Dichte, zu viele Nebengeräusche“, sagte Thomas Tuchel. „Es ist nicht nur eine körperliche Belastung, es ist auch ein emotionaler Stress, den wir zu bewältigen haben.“ Gegen den FC Liverpool und Jürgen Klopp ist ihnen das nur bedingt gelungen.

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