zum Hauptinhalt
Trost spenden und dem Sieger gratulieren. Viel mehr konnte Jürgen Klopp nach dem verlorenen Finale nicht mehr tun.

© Reuters

Nach Finale in der Europa League: Jürgen Klopp will mit Liverpool stärker zurückkommen

Jürgen Klopps FC Liverpool zeigt im Finale der Europa League, wie viel ihm noch zu großer internationaler Klasse fehlt.

Eine Halbzeit lang durchleuchtete den St. Jakob-Park der Geist von Anfield. Der FC Liverpool schien in diesem Basler Europa-League-Finale gegen den FC Sevilla ein Heimspiel zu haben. Frenetisch von rund 10.000 Anhängern unter den 35.000 Zuschauern angefeuert, mit Sprechchören und, natürlich, der Hymne aller Fußballhymnen, „You'll never walk alone“ nach vorn getrieben, ackerten, rannten, kämpften und verausgabten sich die Reds, als würde an diesem Mittwoch schon nach 45 Minuten abgepfiffen. 1:0 führte das Team des deutschen Cheftrainers und Chefeinpeitschers Jürgen Klopp bei Halbzeit durch einen zauberhaften Außenristtreffer von Daniel Sturridge und alle, die sich zu diesem europäischen Traditionsklub mit großer Vergangenheit bekennen, wähnten sich schon fast am Ziel.

Nicht so Klopp, der seine sonst oft überschäumenden Emotionen selbst nach dem Führungstor nicht exzessiv auslebte. Er wusste besser als seine völlig überdrehten Spieler, dass der in den ersten 45 Minuten nahezu überrollte Gegner noch ein paar Pfeile im Köcher hatte, die es zu parieren galt. Die Wachsamkeitsappelle des Mahners aus dem Schwarzwald aber verhallten diesmal, denn 16 Sekunden nach dem Wiederanpfiff leisteten sich die Liverpooler einen folgenschweren Blackout, der es Kevin Gameiro leicht machte, seinen achten Treffer in dieser Europa-League-Runde zu erzielen.

Es war der Moment, in dem das Liverpooler Starkstromaggregat auf Schwachstrom herunterfuhr und danach nie wieder Funken versprühte. Der Tabellenachte der Premier League, der sich mit einem Sieg in diesem Endspiel durch das Erreichen der Champions League maximal belohnt hätte, verschwand durch den europäischen Hinterausgang ohne aktuelle Rückkehrperspektive. Zwei Tore von Kapitän Coke zerstörten die Hochstimmung unter den englischen Fans, die immer leiser gegen die 1:3-Niederlage ansangen – bis auch der letzte „You'll never walk alone“-Choral verstummt war.

Liverpool spielt in der nächsten Saison nicht im Europapokal

Als die Liverpooler Spieler und Klopp sich ihre Silbermedaillen mit leeren Gesichtern auf der Ehrentribüne abholten und die Tränen des nach dem Abpfiff hemmungslos weinenden deutschen Nationalspielers Emre Can im Basler Landregen getrocknet waren, hatte sich die anfangs ohrenbetäubend laute Anhängerschaft des englischen Altmeisters längst kleinlaut verzogen. Klopp reagierte auf die triste Lage fern von Europa auch mit aufbauenden Sätzen. „Da wir in der kommenden Saison mittwochs oder donnerstags nicht Fußball spielen, haben wir viel Zeit für das Training. Wir werden sie nutzen, um stärker zurückzukommen.“

Er selbst verlor am Mittwoch schon sein fünftes von sechs großen Endspielen mit Borussia Dortmund und dem FC Liverpool. In Basel war Klopp nur ein mittelprächtiger Verlierer, als sich Sevilla den dritten Europa-League-Triumph in Serie verdient hatte. „Ich glaube nicht, dass es Gottes Plan ist, mich ständig in Endspiele zu schicken und mir dann eins drüber zu braten“, lamentierte er. „In allen fünf Finals, die ich verloren habe, gab es keine einzige Fehlentscheidung zu meinen Gunsten.“ Klopp beklagte gleich vier falsche Entscheidungen des schwedischen Unparteiischen Jonas Eriksson, die zu Liverpools Lasten gegangen seien. Tatsächlich war nur ein nicht gegebener Handelfmeter in der ersten Hälfte diskutabel.

Während Klopp für „weitere Endspiele mit allem, was ich habe“ kämpfen wird, rückte der Spanier Unai Emery in die erste Reihe der europäischen Fußballlehrer auf. Drei europäische Titel nacheinander gewann bisher nur die Liverpooler Trainer-Legende Bob Paisley (1976 bis 1978). Klopp, zerknirscht und zerknittert wie lange nicht, konnte die Umstände dieser Wende von Hundert auf Null nicht fassen. „Nach dem ersten Gegentreffer haben wir das Vertrauen in unser Spiel komplett verloren. Wir haben schlecht verteidigt und unser Passspiel von schnell und einfach auf langsam und kompliziert umgestellt. Das zeigt, dass wir noch nicht weit genug sind, um so was wegzustecken.“ Der Spirit von Anfield kann daheim schon mal helfen, eine bessere Mannschaft wie Borussia Dortmund mit viel Leidenschaft und großem Wunderglauben zu besiegen – doch bei Licht besehen ist dieser FC Liverpool vom europäischen Fußball der Extraklasse noch weit entfernt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false