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Sport: Nach positivem Test sagt Merlene Ottey den WM-Start in Sevilla ab

Ausgerechnet Jamaikas Superstar Merlene Ottey hat die Serie der Dopingskandale in der Leichtathletik fortgeschrieben und einen Schatten auf die Weltmeisterschaft gelegt. Die 39-jährige Sprinterin, die bei internationalen Meisterschaften insgesamt 27-mal auf dem Treppchen stand und damit die weltweit erfolgreichste Medaillensammlerin ist, wurde nach ihrem 100-m-Sieg beim Meeting in Luzern am 5.

Ausgerechnet Jamaikas Superstar Merlene Ottey hat die Serie der Dopingskandale in der Leichtathletik fortgeschrieben und einen Schatten auf die Weltmeisterschaft gelegt. Die 39-jährige Sprinterin, die bei internationalen Meisterschaften insgesamt 27-mal auf dem Treppchen stand und damit die weltweit erfolgreichste Medaillensammlerin ist, wurde nach ihrem 100-m-Sieg beim Meeting in Luzern am 5. Juli der Einnahme des verbotenen anabolen Steroids Nandrolon überführt. Dies teilte ihr Management, die in Liechtenstein ansässige Fritz-Kaiser Group Communications AG, am Mittwoch in einer Presseerklärung mit. Vom Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF) war zwei Tage vor Eröffnung der Weltmeisterschaft in Sevilla zunächst keine Bestätigung zu bekommen. Merlene Ottey selbst beteuert ihre Unschuld.

Die Fritz-Kaiser-Group gab gleichzeitig auch den WM-Verzicht ihrer prominenten Mandantin bekannt. Ottey, die sich als "Die große Dame des Sprints" einen Namen gemacht hat, droht jetzt eine zweijährige Sperre. Die Agentur der Athleten wurde am 15. August von einem IAAF-Funktionär telefonisch informiert, dass die A-Probe der Jamaikanerin positiv ist. "Wir haben Regeln der IAAF, die eine genaue Prozedur vorschreiben, und die sind noch nicht erfüllt", sagte Jamaikas Verbandsfunktionär Herbert Elliot. "Deswegen können wir noch keinen Kommentar zu der Angelegenheit abgeben." Da noch keine positive B-Probe vorliegt, hat Ottey derzeit als unschuldig zu gelten. Rein theoretisch hätte sie sogar in Sevilla an den Start gehen können.

Ottey wehrte sich in der Pressemitteilung ihres Managements vehement gegen die Dopingverdächtigungen, die das Ende ihrer einmalige Karriere bedeuten könnten. "Diese Statement schreiben zu müssen, ist eine der schwierigsten und aufwühlendsten Erfahrungen in meinem Leben. Ich habe mein persönliches und athletisches Leben mit der größten Ehrlichkeit und Integrität gelebt", verteidigte sie sich und betonte weiter: "Ich habe mich immer für die Fairness im Sport eingesetzt und verurteile den Gebrauch von verbotenen Substanzen aufs Schärfste. Ich bin es meiner Familie, meinem Heimatland, meinem geliebten Sport und all meinen Fans auf der ganzen Welt schuldig, zu beweisen, dass dies ein schrecklicher Irrtum ist." Sie werde jetzt alles tun, um ihre Unschuld zu beweisen.

Die Fritz-Kaiser-Group wies darauf hin, dass Ottey seit 1979 ungefähr 100-mal getestet worden sei. Auch Kontrollen am 12. Mai in Ljubljana und am 30. Juli in Stockholm hätten negative Ergebnisse gezeigt. Unklar war am Mittwoch noch, ob auch die B-Probe von Luzern bereits geöffnet wurde. Solange dies nicht geschehen ist, kann Ottey noch nicht zur Verantwortung gezogen werden. Bei dem Sportfest in der Schweiz hatte die Jamaikanerin mit ihrer diesjährigen Bestzeit über 100 m von 10,97 Sekunden geglänzt. Diese Zeiten sind für eine 39-jährige außerordentlich ungewöhnlich. Damit belegt sie derzeit Platz acht der Weltrangliste.

Vor zwei Wochen war der Sprint-Olympiasieger von 1992, Linford Christie (39), ebenfalls der Einnahme von Nandrolon überführt worden. Der Brite sowie Hürden-Weltrekordler Colin Jackson haben früher über längere Zeit hinweg gemeinsam mit Ottey trainiert. "Es ist auffällig, dass Athleten, wenn sie älter werden, mehr zu solchen Mitteln greifen", kommentierte Helmut Digel, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), den neuesten Skandal. "Es ist auch klar, dass es sich hier um eine Berufskarriere handelt, in der man sehr viel Geld verdienen kann und die man gern verlängern möchte." Man müsse aber das Ergebnis der B-Probe abwarten, ehe man ein endgültiges Urteil fälle.

DLV-Leistungssportdirektor Frank Hensel sprach von einer "Signalwirkung". "Es ist wichtig, dass auch die großen Namen erwischt werden, wenn sie es denn tun." Das Jahr 1999 wird in die Geschichte der Leichtathletik jedenfalls als Doping-Jahr eingehen: Mit Hochsprung-Olympiasieger Javier Sotomayor (Kuba/Kokainmissbrauch), Christie und Ottey sorgten gleich drei Topstars für negative Schlagzeilen. Ferner musste sich die IAAF in diesem Jahr noch mit den "Altlasten" eines Ben Johnson herumschlagen, der 1988 in Seoul für den größten Dopingskandal aller Zeiten gesorgt hatte und dessen lebenslange Sperre am Montag bestätigt wurde. Johnson wollte als 37-jähriger nochmal an den Start gehen. Wie bei Christie und Ottey war auch bei 200-m-Europameister Doug Walker (ebenfalls Großbritannien) Nandrolon im Spiel.

Ottey, die sich der Trainingsgruppe des slowenischen Coaches Sryidian Djordjevic angeschlossen hatte, hatte ursprünglich in Sydney 2000 ihre sechste Olympia-Teilnahme angestrebt. "Diese Beine haben noch immer viel Power", sagte kürzlich die 200-m-Weltmeisterin von Stuttgart und Göteborg, die sich in Sydney noch den Traum von einer olympischen Goldmedaille erfüllen wollte. Ulrike John

Robert Hartmann

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