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Der Weg zum Erfolg ist steinig. Die Straßen nach Roubaix sind eigentlich untauglich für Rennräder – genau deshalb hat Degenkolb lange von ihnen geträumt.

© imago/Sirotti

Nach Sieg bei Paris-Roubaix: John Degenkolb: In der ersten Liga des Radsports angekommen

John Degenkolb gewann nach dem Klassiker Mailand-Sanremo nun auch Paris-Roubaix und schreibt sich damit in die Geschichtsbücher ein.

Zwei Jahrhundertschwellen muss man überqueren, um zum letzten deutschen Sieger von Paris-Roubaix zu gelangen. Josef Fischer hieß der. Er galt als einer der besten Straßenfahrer seiner Zeit, gewann die Premiere von Paris-Roubaix 1896, wurde vier Jahre später Zweiter und kam bei der allerersten Tour de France 1903 auf einem achtbaren 15. Gesamtrang an. Schlagzeilen machte Fischer, weil er mehrfach gegen ein Pferd antrat. Er besiegte der Legende nach auf kurzer Distanz den Sohn vom Büffeljäger Buffalo Bill und gab beim Monsterrennen Wien-Berlin über 580 km einem berittenen Adligen das Nachsehen.

Solche Spektakelkunststücke muss John Degenkolb heutzutage nicht verrichten. Aber der in Thüringen geborene Oberbayer mit Wohnort Frankfurt am Main hat sich in dieser Saison ganz eindeutig in die erste Liga des Profigeschäfts katapultiert und sogar schon etwas für die Geschichtsbücher getan. Denn vor dem Ritt über die Pflastersteine im Norden Frankreichs war Degenkolb bereits beim Frühjahrsklassiker schlechthin, Mailand – Sanremo, erfolgreich. Das war der Durchbruch.

John Degenkolb lieferte bei Paris-Roubaix sein Meisterstück ab

Degenkolb erreichte ihn mit schlauer Fahrweise. „Er hat niemals unnötig die Nase in den Wind gesteckt und war im Finale zur Stelle“, lobte ihn sein sportlicher Leiter Marc Reef im März. Degenkolb selbst war überglücklich. „Ich kann das Gefühl nicht beschreiben. Das ist mein erster Sieg bei einem Monument. So viele große Namen haben hier auf der Via Roma gewonnen, und nun habe auch ich es geschafft“, sagte er damals. Jetzt im April, auf dem Wege nach Roubaix, lieferte der Giant-Alpecin-Profi sein Meisterstück ab.

Der 26-Jährige schloss in der Schlussphase selbst die Lücke zum Führungsduo. Sprinter machen so etwas gewöhnlich nicht. Sie warten darauf, dass andere den Job erledigen und sparen Kräfte bis zum letzten Moment. Degenkolb aber zeigte, dass er die richtigen Lehren aus dem zweiten großen Klassiker dieser Saison, der Flandernrundfahrt, gezogen hatte. Da hatte nämlich sein bislang härtester Konkurrent, der Norweger Alexander Kristoff, Zweiter in Sanremo und ein Sprinter von ähnlicher Güte wie Degenkolb, selbst einen Fluchtversuch gestartet und wurde mit dem Sieg belohnt. Dem Frankfurter blieb nur Platz sieben nach einem Spurt aus der Verfolgergruppe.

Degenkolb träumte schon als Kind von einem Erfolg bei Paris-Roubaix

In Roubaix aber wandte er denselben Trick an. „Ich hatte gehofft, dass John bei all den Versuchen, die Lücken zu schließen, viel Kraft gelassen hat. Aber er war dann doch der Überlegene. Es war ein Kampf mit den letzten Reserven“, zollte ihm der Zweite im Velodrom von Roubaix, der Tscheche Zdenek Stybar, Respekt. Für Degenkolb stellt dieser Erfolg eine noch größere Wunscherfüllung als Sanremo dar. Denn Paris – Roubaix war das Rennen, dem schon als Junge all seine Träume und Hoffnungen galten. Jetzt hat er es gewonnen. „Sanremo war schon sehr emotional, aber das übertrifft alles. Es ist unglaublich“, meinte er.

Ihm gelang damit ein Kunststück, das nicht einmal Eddy Merckx vergönnt war. Der große Belgier gewann zwar sieben Mal Mailand – Sanremo und drei Mal Paris – Roubaix, allerdings nie in derselben Saison. Vor Degenkolb konnte sich lediglich der Ire Sean Kelly 1986 über dieses Double freuen. Kelly gewann auch einmal die Vuelta und holte zwei Mal WM-Bronze.

Rundfahrtsiege wird man von Degenkolb nicht auch noch erwarten können. Aber weitere Erfolge bei Klassikern und endlich auch eine Medaille bei der WM (Platz vier 2012 ist hier bislang seine beste Platzierung) könnten folgen. Degenkolb ist ein großer Kämpfer, der sich jetzt auch endlich für seine Einsätze belohnt hat. Dem neuen deutschen Radsportmärchen zuträglich ist natürlich die Tatsache, dass die jüngsten Erfolge ausgerechnet in dem Jahr gelangen, in dem sein Rennstall zum ersten Mal unter deutscher Flagge fährt. Jetzt heißt es, sauber bleiben.

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