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Sport: Nachbars Kirschen

Mit Töchtern ist es wie mit Kirschen: Die der Nachbarn sind immer besser. Sie rufen jeden Tag an, sie haben einen wirklich sehr sehr netten Mann geheiratet, und entweder sie oder dieser nette Mann kommen alle zwei Wochen vorbei und mähen den Rasen.

Mit Töchtern ist es wie mit Kirschen: Die der Nachbarn sind immer besser. Sie rufen jeden Tag an, sie haben einen wirklich sehr sehr netten Mann geheiratet, und entweder sie oder dieser nette Mann kommen alle zwei Wochen vorbei und mähen den Rasen. Davon erzählt eine Mutter am Telefon dann ihrer eigenen Tochter; und kaum dass die Tochter den Hörer aufgelegt hat, sagt sie zu ihrem eigenen (offenbar nur mäßig netten) Mann: „Du hattest Recht, man kann einfach nicht richtig mit ihr reden; sie beklagt sich nur immer.“ Auf diese Weise sind sie beide wunderbar unglücklich.

Anhand von Romanen und Filmen erstellen die französische Kinderpsychiaterin Caroline Eliacheff und die Soziologin Nathalie Heinich eine sehr dichte, lebensnahe Typologie der Beziehungen zwischen Müttern und Töchtern. Sie erzählen von der passionierten Mutter, die immer nur das Beste – ihr eigenes Bestes – für ihr Kind will; der statusorientierten Mutter, die das Kind als Schmuckstück eines erfüllten Lebens schätzt. Sie sprechen von den Schuldgefühlen der Mütter, wenn sie sich unfähig fühlen, dem gesellschaftlichen Ideal der Mutterliebe zu entsprechen – und von den Schuldgefühlen der Töchter, wenn sie insgeheim denken: „Ob ich sie wohl jemals loswerde?“ Obwohl sich dies Buch nie allwissend ins Herz der Leserinnen zu schmeicheln sucht, besitzt es doch einen hohen Wiederkennungs- und auch Selbsterkenntniswert; und gerade darin hat es auch einen etwas bedrückenden Nachklang. Hoffnung für Mütter und Töchter, meinen die Autorinnen nämlich, wird es nur von außen geben, wenn es ein Dritter, zumeist der Vater, schafft, aus der Zweier-Symbiose ein „Dreiecksverhältnis“ zu machen. Dafür allerdings müssen die Männer diese Verantwortung wollen, und die Frauen müssen sie ihnen ein Stück weit überlassen. Trotz wiederholter Absichtserklärungen scheint es oft, als seien beide Geschlechter dazu noch nicht wirklich bereit.

Caroline Eliacheff und Nathalie Heinich: Mütter und Töchter. Ein Dreiecksverhältnis. Ratgeber. Aus dem Französischen von Horst Brühmann. Walter Verlag, Düsseldorf. 350 Seiten, 24,90 €.

Mara Stein

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