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Sport: Nachfolge abgelehnt

Marcelinho will nicht der neue Alves bei Hertha BSC werden – gestern traf er aus Brasilien ein

Berlin. Am Ende gab es doch noch eine gute Nachricht für Hertha BSC. Nachdem die ernsten Dinge zwischen Dieter Hoeneß und Huub Stevens auf der einen Seite und Marcelinho auf der anderen geklärt waren, holte Herthas Manager die Donnerstagsausgabe des „Berliner Kuriers“ hervor. Er schlug Seite 24 auf, und da konnte Marcelinho lesen, was die Journalisten vom Boulevard in diesen Tagen umtreibt: „Marcello, der neue Alves?“ Marcelinho, so berichtete Manager Hoeneß mit einer gewissen Erleichterung, habe heftigst den Kopf geschüttelt.

Der neue Alves? Bloß nicht, werden die Führungskräfte des Berliner Fußball-Bundesligisten sagen. Sie würden sich ja heute noch am liebsten jeden Tag vor Freude auf die Schenkel klopfen, dass sie den unberechenbaren Alves vor knapp zwei Monaten auf recht sanfte Weise und vor allem gegen eine nicht mehr erhoffte finanzielle Entschädigung losgeworden sind. Auf einen legitimen Alves-Nachfolger können sie bei Hertha jedenfalls liebend gern verzichten.

Dass Marcelinho überhaupt in einen solchen Ruf gekommen ist, hat er sich selbst zuzuschreiben. Als Herthas Spieler am Montag nach ihrem Sommerurlaub zum Laktattest antreten mussten, fehlte Marcelinho ebenso wie am Dienstag beim ersten Mannschaftstraining. Und bei Hertha wusste niemand etwas über den Verbleib des Brasilianers und über die Gründe seines Fehlens zu sagen. „Das belastet gleich wieder den Start“, sagte Hoeneß. Gestern nun, um kurz nach neun am Morgen, landete Marcelinho in Berlin, eine knappe Stunde später fuhr er vor Herthas Geschäftsstelle vor, und um kurz nach halb elf betrat er den Trainingsplatz. „Es tut mir Leid“, ließ Marcelinho verkünden. „Ich habe mich bei Mannschaft und Trainer entschuldigt.“ Der Brasilianer trug private Probleme seiner Eltern zur Entschuldigung vor. Manager Hoeneß äußerte gar Verständnis dafür, „aber er hätte uns frühzeitig informieren müssen“.

Anderthalb Stunden lang lief Marcelinho am Vormittag mit Konditionstrainer Carsten Schünemann um den Trainingsplatz. Als Bestrafung war dieses eintönige Programm ohne Ball für den Ballliebhaber jedoch nicht gedacht. Der Brasilianer musste nur das nachholen, was seine Kollegen bereits am Tag zuvor hinter sich gebracht hatten. „Er muss jetzt wieder an die anderen rangeführt werden“, sagte Trainer Huub Stevens. Mit ein paar Strafrunden wird die Sache für Marcelinho ohnehin nicht erledigt sein. Manager Hoeneß kündigte eine hohe Geldbuße an, um ein klares Zeichen zu setzen. „Aber dann ist das Thema auch erledigt.“

Zumindest hoffen sie das bei Hertha. Schon Anfang des Jahres hat der Brasilianer der sportlichen Leitung einige Sorgen bereitet, als das Ausscheiden aus dem Uefa-Cup und die nicht minder ärgerliche Niederlage beim HSV unglücklicherweise in die Karnevalszeit fielen. Damals ließ sich Marcelinho seine Feierlaune durch solche Kleinigkeiten nicht verderben und tanzte bis morgens um halb fünf in einer brasilianischen Kneipe.

Es schien fast, als sei Hertha damals ein wenig von den Eskapaden überrascht worden, obwohl sich die Veränderungen in Marcelinhos Lebenswandel bereits länger angedeutet hatten. Aber seit dem ersten Tag nach seiner Verpflichtung im Sommer 2001 galt Marcelinho als der Muster-Brasilianer, pflegeleicht und aufgeschlossen, das genaue Gegenteil von Alex Alves. Als Hertha seinen Vertrag vorzeitig bis 2007 verlängern konnte, schien dem Klub ein großer Coup gelungen zu sein.

In den letzen beiden Jahren war Marcelinho jeweils Herthas bester Torschütze. Sein Wert für die Mannschaft ist immens. Das zeigt sich auch, wenn Marcelinho schlecht spielt – meistens spielt dann auch Hertha schlecht. Trainer Huub Stevens widerspricht solchen Deutungen immer wieder. „Keiner ist so wichtig wie das Kollektiv“, sagt er. Stevens verlangt Identifikation mit dem Klub, auch von Marcelinho. Dessen unentschuldigtes Fehlen beim Trainingsauftakt war für ihn ein Zeichen, „dass er sich nicht mit Hertha BSC identifiziert“. Ein schlimmeres Vergehen kann es für Stevens kaum geben.

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