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Sport: Nachhilfe in der Provinz

Was die Berliner Eisbären so alles in Crimmitschau lernten

Von Claus Vetter

Crimmitschau. In Crimmitschau haben sie dem Eishockey ein Denkmal gesetzt. Vor dem Stadion im Sahnpark thront ein Eishockeyspieler aus Bronze. Die Statue illustriert, wie sehr in der sächsischen Kleinstadt an der Pleiße Eishockey als kulturelles Erbe betrachtet wird. Und verschlägt es auswärtige Fans einmal in das luftige Eisstadion im Sahnpark, dann sind sie schnell begeistert von der dort herrschenden Euphorie. Auch der Kanadier Pierre Pagé konnte sich der Atmosphäre im Eisstadion zu Crimmitschau nicht verschließen. „Eine unglaubliche Atmosphäre ist das hier“, sagte der Eisbären-Trainer nach dem 5:2-Sieg seiner Mannschaft am Freitag. „Crimmitschau ist eine Eishockeystadt."

Keine bahnbrechende Erkenntnis des Pierre Pagé, allerdings wurde sie von einigen Spielern seiner Mannschaft geteilt. So etwa von John Gruden. Der in der Sommerpause zu den Eisbären gewechselte US-Amerikaner hatte gerade sein erstes Pflichtspiel in Deutschland absolviert. „Die Zuschauer hier waren ja unglaublich", sagte Gruden. „So etwas an Begeisterung fürs Eishockey habe ich noch nie erlebt. Das gibt es in Amerika nicht." Die alteingesessene Fraktion aus dem Eisbären-Tross war hingegen von der Exkursion nur mittelprächtig fasziniert. Man kennt sich eben aus, besonders im ostdeutschen Eishockey. Wie zum Beispiel Hartmut Nickel. Im September 1970 hatte der heutige Kotrainer der Eisbären als Spieler von Dynamo Berlin beim letzten Punktspiel zwischen Crimmitschau und Berlin mitgewirkt. Danach hatten die Staatsoberen das nicht medaillenträchtige Eishockey ins Abseits gestellt, Crimmitschau zum Hobbyverein degradiert und die Oberliga auf die Klubs aus Berlin und Weißwasser reduziert. „Damals, beim letzten Spiel hier, hat der Torwart von Crimmitschau einen Sonnenbrand gekriegt", sagte Nickel. „Die rote Torlampe hat bei denen gar nicht aufgehört zu blinken."

Da erging es Crimmitschaus Torhüter Radek Toth beim jüngsten Spiel gegen eine Mannschaft aus Berlin doch etwas besser. Zum Schwitzen brachten Toth höchstens die hochsommerlichen Temperaturen auf dem weichen Eis im Sahnpark. Fünf Gegentore gegen das Team aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL)m das war annehmbar aus Sicht der Sachsen. Doch auch die Berliner verkauften sich passabel. Pagé war zufrieden – ein wenig mit der Leistung sein Spieler, viel mehr noch mit der Premiere des Deutschen Eishockey Pokals, der am 24. September in die zweite Runde geht. „Der Pokal wird im deutschen Eishockey eine wichtige Institution werden", glaubte Pagé. „Da kommt das DEL-Eishockey mal in Orte, wo es sonst nie hinkommen würde."

Zum Beispiel in die sächsische Provinz, wo sie wie in Crimmitschau trotz vieler Zuschauer angesichts finanzieller Sachzwänge wohl nie das Abenteuer DEL wagen werden. Immerhin, dafür ist Eishockey trotzdem Kult in Crimmitschau – sogar in Bronze gegossen. Von der riesigen Statue eines Eishockeyspielers zeigten sich auch einige Besucher aus Berlin beeindruckt. „Das ist der Gustav Jaenecke, der hat in Berlin das Eishockey erfunden", sagte ein Eisbären-Fan. Ein anderer fragte: „Kam der aus dem Osten oder Westen?" Schwer zu sagen, da Jaenecke seine beste Zeit als Spieler in den Dreißigerjahren hatte. Und als der Berliner Schlittschuh-Club die erste Deutsche Meisterschaft gewann, war Jaenecke erst vier Jahre alt. Vielleicht haben sie deshalb am Stadion von Crimmitschau auch nicht einem Berliner, sondern einem Sachsen, dem Leipziger Horst Kutter, 1960 ein Denkmal gesetzt.

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