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Trainingspause beim Olympialehrgang in Ettlingen 1935. Paul Yogi Mayer (links) mit den Hochspringern Gretel Bergmann und Julius Bendorf.

© Zeitgeschichte des Sports, Uni-Potsdam

Nachruf auf Paul Yogi Mayer: Kämpfer gegen antisemitische Sport-Propaganda

Der Athlet, Lehrer und Forscher Paul Yogi Mayer, der 1939 aus Berlin fliehen musste, ist kurz vor seinem 99. Geburtstag in London gestorben. Ein Nachruf.

Mit ihren Propagandalügen überzogen die Nazis auch den Sport. Eine davon war, dass Juden nicht zu Höchstleistungen fähig seien, und sie hinterließ bei vielen jüdischen Sportlern eine tiefe, ja fast traumatische Verletzung. Schon früh kämpfte der Sportpädagoge und Sportpublizist Paul Yogi Mayer gegen diese Lüge. Dieser Kampf wurde zu seinem Lebenswerk. Vor seinem 99. Geburtstag ist Mayer kürzlich in London gestorben.

In Bad Kreuznach verlebte Yogi, wie er von seinen Freunden genannt wurde, eine glückliche, unbeschwerte Jugend, machte Abitur und zog zum Studium nach Berlin. Dort schloss sich der aktive Leichtathlet dem BSC an, aus dem er – wie zahlreiche andere Sportler auch – 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft ausgeschlossen wurde. Nach einem Lehrgang für „jüdische Turn- und Sportlehrer“ in den Jahren 1934 und 1935 war Paul Yogi Mayer bis 1938 als Jugenddezernent und Verbandssportlehrer des Sportbundes Schild des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten (RjF) tätig. Daneben betreute er die Sportbeilage der Zeitschrift „Schild“, des Publikationsorgans des RjF.

Höhepunkt seiner sportlichen Laufbahn war die Berufung in das Olympia-Trainingslager für jüdische Sportler in Ettlingen durch den Reichssportführer, mit dem das „Dritte Reich“ eine Gleichbehandlung jüdischer Sportler demonstrieren wollte, um die weltweite Protestbewegung gegen die Olympischen Spiele 1936 in Berlin zu unterlaufen. „Ich war weit davon entfernt, olympiareif zu sein“, gestand er einmal vor Potsdamer Sportstudenten, denen er anschließend vom Betrug an Gretel Bergmann berichtete. Sie wurde trotz deutschen Rekords im Hochsprung nicht in die deutsche Olympiamannschaft für 1936 berufen. Man ließ lieber einen der drei Plätze frei, als einer Jüdin die Chance zu geben, die NS-Lehre von der angeblichen körperlichen Überlegenheit der arischen Herrenrasse mit einem Medaillengewinn zu widerlegen.

Mit einem „jüdischen Sportbuch“, an dem Mayer mitarbeitete, bezeugte der RjF die Leistungsfähigkeit jüdischer Sportler. Dieses Thema, der Nazi-Vorwurf der angeblich körperlichen Unterlegenheit der jüdischen Rasse, ließ Mayer, dem 1939 die Emigration nach England gelang, zeitlebens nicht mehr los. Er publizierte zur jüdischen Sportbewegung und über jüdische Sportler zahlreiche Aufsätze, für die er 1998 von der Universität Potsdam zum Ehrendoktor ernannt wurde. Im Gegenzug legte er im Jahr 2000 das Buch „Jüdische Olympiasieger – Sport, ein Sprungbrett für Minoritäten“ vor, das in erweiterter Fassung mit einem Vorwort des englischen Historikers Sir Martin Gilbert 2004 auch auf Englisch erschien. Martin Gilbert würdigte in seinem erfolgreichen Buch „The Boys“ eine andere wichtige Etappe in Mayers Leben. Als Mentor, Trainer und Sportlehrer betreute Mayer elternlose Überlebende des Holocaust, die nach dem Krieg in England aufwuchsen.

Er gehörte zu den Gründern des „Primrose Club“, der neben kulturellen und sozialen Angeboten auch die Möglichkeit bot, Wettkampfsport zu treiben. „Da kamen mir meine Erfahrungen aus der deutsch-jüdischen Jugendbewegung zugute“, berichtete er. „Am schwierigsten war es, ihnen beizubringen, Niederlagen zu ertragen. Nach ihren KZ-Erlebnissen wollten sie stets siegen.“ Für sein jahrzehntelanges pädagogisches Wirken im Bereich der Sozial- und Jugendarbeit wurde Paul Yogi Mayer 1997 mit der Mitgliedschaft im britischen Orden „Member of the British Empire“ ausgezeichnet. Sein größter Wunsch, nach Berlin 1936, wo er Augenzeuge des legendären Weitsprung-Wettbewerbes zwischen Jesse Owens und Luz Long war, noch einmal Olympische Spiele in seiner Heimatstadt London zu sehen, erfüllte sich nicht mehr.

Der Autor ist Professor für Zeitgeschichte des Sports an der Universität in Potsdam.

Hans-Joachim Teichler

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