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Sport: Nachspiel: Heute: Cottbuser Demokraten

Aktionärsversammlungen laufen ähnlich ab. Da wollen die Leute auch mitreden.

Von Karsten Doneck, dpa

Aktionärsversammlungen laufen ähnlich ab. Da wollen die Leute auch mitreden. Nur dass man zum Betreten des Cottbuser Stadions der Freundschaft keine Aktien braucht. Es reichen Eintrittskarten. Preis für die Tribüne: 30 bis 60 Mark. Wer dieses Geld ausgibt, um ein Bundesligaspiel des FC Energie live zu erleben, der nimmt für sich auch das Recht in Anspruch, über die Geschehnisse auf dem Rasen mitbestimmen zu wollen. Wir sind das Volk, jawoll. Und warum leben wir denn in einer Demokratie?

Das Cottbuser Tribünenpublikum braucht stets nur 20 Minuten. Dann sind die Feindbilder für die restlichen 70 Minuten in den Köpfen zementiert. Am Sonnabend gegen den SC Freiburg war Soumaila Coulibaly der Buhmann. Der war bis dahin schon ein paar Mal rüde gefoult worden. Aber wer da vom Gegner am Boden liegt, den stempelt die Cottbuser Tribüne ab: Weichei, Jammerlappen, Simulant. Solche Typen hören fortan Buhrufe und Pfiffe. Wie Coulibaly. Dass Freiburgs Trainer Volker Finke später berichtete, die Fußballstiefel seines Spielmachers seien blutdurchtränkt gewesen - na und? Soll er sich doch die Schuhe beim nächsten Mal ein bis zwei Nummern größer kaufen.

Und dann die Schiedsrichter ... Die sind, denkt der zahlende Kunde unterm Tribünendach, prinzipiell gegen uns. Nahezu jeder Freistoß gegen Energie ist ein Vorstoß, um eine ganze Region, ja vielleicht sogar den ganzen Osten zutiefst zu beleidigen.

Bleibt noch der innige Kontakt des Tribünengastes zum Gästetrainer. Beide Parteien trennen nur rund drei Schritte Luftlinie und eine Barriere, die bei mittelgroßen Zeitgenossen bis zum Bauchnabel reicht. Auch da greift die Einflussnahme der Tribüne. "Ey, Lorant, setz Dir hin, Du Idiot", ereiferte sich mal eine Frau - der Begriff Dame wäre wohl zu hoch gegriffen - aus Reihe drei beim Spiel gegen 1860 München über Werner Lorant. Richtig so: Der Gästetrainer sitzt gefälligst still und verfolgt schweigend das Spiel. Wo bleibt sonst die Kinderstube?

Freiburgs Finke hielt sich nicht daran. Dass machte die Meute hinter ihm zornig, und er bekam auch später noch sein Fett ab. Ronny Gersch, normalerweise nur Pressesprecher beim FC Energie, packte den Knigge aus und konfrontierte Finke damit, er habe ja das Publikum durch ständiges Verlassen der Coaching-Zone provoziert. Da geriet dann selbst Finke mal außer sich, wie sonst nur der Tribünengast in Cottbus. "Da lache ich mich kaputt, wenn ich so etwas höre", konterte er in einem für ihn ungewohnt bissigen Ton.

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