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NACHSPIEL Zeit: Den Rooibos im Blut

Esther Kogelboom hilft einem südafrikanischen Kollegen, sein Holzkeulen-Trauma zu besiegen

Viele Kollegen haben funkelnagelneue, ultraflache Laptops, mit denen sie immer und überall online gehen können. Ich wurde bei der großen Laptop-Verteilung vergessen. Ohne Mitleid heischen zu wollen, muss doch gesagt werden, dass ich mit meinem uralten iBook G4 arbeite – einer Rappelkiste, die früher einmal weiß wie frisch gefallener Schnee war. Inzwischen ist sie grau, und sie verträgt sich nicht mit UMTS-Sticks. Ich habe nicht gezählt, wie viel Rooibostee ich schon getrunken habe, um überhaupt etwas zu konsumieren, damit ich im Café online bleiben darf. Durch meine Adern fließt inzwischen Rooibostee, was ja nicht ungesund sein soll, allein schon wegen der Antioxidantien.

Da ist zum Beispiel das Wish Café in Melville, wo sie das W-Lan aber um Punkt 17 Uhr abschalten. Ich musste mir also einen neuen Arbeitsplatz suchen und fand das ITCorner, ein ziemlich nüchternes Café, das zwei dauergenervten Portugiesen gehört. Ins Netz gelangt man dort nur mit Hilfe eines sich stündlich ändernden, 20-stelligen Codes, der aus Groß- und Kleinbuchstaben besteht. Mein Lieblingscafé mit W-Lan ist das Salvation Café in Milpark. Empfehlenswert ist der Platz direkt neben dem Feuer, mir frieren sonst schnell die Beine ein. Im Salvation Café machen sie unglaublich gutes Frühstück, zum Beispiel ein mit Brie und Frühlingszwiebeln gefülltes, superfluffiges Omelett, zu dem sie selbst gemachte süßsaure Sauce reichen. Habe ich schon erwähnt, dass ich nicht nur von Rooibostee und W-Lan, sondern auch von süßsaurer Sauce abhängig bin?

Gestern, auf dem Weg zu einem nächtlichen Termin, stoppten mein südafrikanischer Kollege und ich beim McDonald’s Drive-in an der Empire Road. Der Kollege bestellte zwei Megaburger mit Bacon, ich eine mittlere Portion Pommes mit süßsaurer Sauce. „Das kostet aber extra“, sagte die McDonald’s-Frau, „zehn Rand.“ Ein Euro für einen winzigen Napf der sämigen, aprikosenhaften Herrlichkeit? „Geht klar“, sagte ich. Der Kollege warf mir einen Blick zu, als hätte ich soeben einen Maulwurf-Burger bestellt. Wir nahmen die Papiertüte in Empfang und rollten auf den Parkplatz. Er zog die Handbremse, nahm den ersten Burger aus der Pappschachtel und biss hinein. „Weißt du, hier auszusteigen ist echt nicht besonders empfehlenswert. Ich wurde hier neulich von einem Klebstoffschnüffler mit einer Holzkeule bedroht“, sagte er mit vollem Mund. Betroffen schüttete ich meine Pommes in die Tüte und grub nach der süßsauren Sauce.

Ich kann die Holzkeulen-Geschichten, die jeder Johannesburger zu erzählen hat, langsam nicht mehr hören: Erstens sind sie Gute-Laune-Killer, zweitens kann man eigentlich nur mit einer schlimmeren Geschichte auf sie reagieren. Wenn man keine erlebt hat, beschleicht einen doch das Gefühl, man sei aus Gründen der Gerechtigkeit als nächste dran.

„Ist was?“, fragte der Kollege. „Nee“, sagte ich und seufzte, „alles klar.“ - „Die haben deine Sauce vergessen!“ – „Ehrlich gesagt: ja.“ Selbst im Dunkeln konnte ich meine Enttäuschung nicht verbergen. Ich öffnete die Autotür, doch der Kollege war schneller. Er rannte zu dem vergitterten Fenster und verhandelte mit der McDonald’s-Frau.

Ich schloss für einen Moment die Augen, und als ich sie wieder öffnete, blickte ich direkt in das Gesicht eines Bettlers. Wie zum Gebet legte er die Hände zusammen. Ich ließ die Autoscheibe herunter und gab ihm eine Münze. Dann ließ ich die Scheibe wieder hoch. Der Bettler verschwand.

Ein paar Minuten später, während derer ich angestrengt ins Dunkel starrte, kehrte der Kollege mit zwei Näpfchen süßsaurer Sauce zurück. „Wieder ein Trauma überwunden“, sagte er atemlos.

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