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Wieder nichts. Dortmunds Neu-Nationalspieler Mario Götze kann gegen Marseille mehrere erstklassige Chancen nicht im Tor unterbringen. Foto: dpa

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Sport: Naiv vor beiden Toren

Wegen individueller Fehler droht Borussia Dortmund wie schon letzte Saison das frühe Aus im Europacup

Kurz bevor das Spiel abgepfiffen wurde, tauchte Jürgen Klopp noch einmal am Rand der Coaching Zone auf. Die Mimik des Trainers von Borussia Dortmund sprach Bände: Der 44-Jährige ließ die Schultern hängen, blickte zu Boden, seine Mundwinkel waren tief heruntergezogen. Nein, es war kein guter Abend für den Trainer des Deutschen Fußball-Meisters Borussia Dortmund und seine Mannschaft. Der BVB verlor das Auswärtsspiel bei Olympique Marseille 0:3 (0:1), es war ein dermaßen deutliches Ergebnis, dass kein Spielraum blieb für tröstliche Gedanken. „Ich habe ein richtig beschissenes Gefühl“, sagte Manndecker Neven Subotic. „Es lief so viel gegen uns, und nichts hat richtig geklappt.“

Tatsächlich war es eklatant, wie viele Unzulänglichkeiten sich die Spieler des Deutschen Meisters hatten zuschulden kommen lassen, bevor sie nach 90 Minuten wie geprügelte Hunde vom Rasen des Stade Velodrome schlichen. Schwer geschlagen mit einer Niederlage beladen, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ. „Niemals hätten wir dieses Spiel verlieren dürfen“, sagte Hummels. „Aber das interessiert am Ende keinen Menschen, weil wir hier eine Klatsche kriegen.“ Das beurteilte sein sportlicher Vorgesetzter ähnlich. „Am Ende verlieren wir hoch, und das ist allein unsere Schuld“, sagte Klopp. „Es war die Geschichte dieser Saison in ein Spiel gepackt. Wir führen in jeder Statistik, nur nicht beim Ergebnis.“

Was war passiert in der Provence, dass die Borussia einen solch frustrierenden Champions-League-Abend erleiden mussten? Die Gründe für das Debakel waren an beiden Enden des Spielfelds zu finden. Vorn versäumte es der BVB, eine Vielzahl an hochkarätigen Einschussmöglichkeiten zu nutzen, und in der Defensivabteilung unterliefen den Männern in Schwarz- Gelb solch haarsträubende Fehler, dass ein wahrlich nicht überragender Gegner einen klaren Sieg davontragen konnte.

Borussia Dortmund hatte in der schwarzen Nacht von Marseille eine Reihe von Spitzenspielern, die sämtlich eine Teilschuld zum Scheitern auf sich geladen hatten. Zum Beispiel Subotic, der beim 0:1 unglücklich ausrutschte und damit den Weg freimachte für den Treffer des überragenden Ghanaers André Ayew. Oder Hummels, der seinem Kontrahenten Loic Remy den Ball vor dem zweiten Treffer mit einem stümperhaften Kopfball maßgerecht in den Lauf legte. Oder Lukasz Piszczek, der den Ball wie ein Schüler vertändelte, so dass Sebastian Kehl einen Elfmeter verursachte, den Ayew zur endgültigen Entscheidung nutzte.

Zu solch schlimmen Fehlleistungen in der Rückwärtsbewegung kam ein geradezu fahrlässiger Umgang mit besten Torchancen. Vor allem Mario Götze versäumte es, die Dinge in eine andere Richtung zu drehen. In der ersten Halbzeit scheiterte der Jung-Nationalspieler mit einer erstklassigen Chance, und nach dem Seitenwechsel brachte der 19-Jährige das Kunststück fertig, den Ball freistehend aus drei Metern an den Pfosten zu schieben, anstatt ihn zum Ausgleich ins Tor zu schießen. Bei einer Jugendmannschaft wären solche Aussetzer ja noch verzeihlich, bei Profis, die sich in der Champions League bewähren wollen, werden sie umgehend bestraft.

Dortmunds gestrauchelte Aufsteiger unternahmen erst gar nicht den Versuch, die eigenen Fehlleistungen schönzureden. „Wir müssen diese individuellen Fehler vor unserem und vor dem gegnerischen Tor dringend abstellen“, forderte Hummels. Und Mannschaftskapitän Sebastian Kehl ergänzte: „Wir spielen unseren Gegnern immer wieder in die Karten, und das tut verdammt weh.“

Wie in der vergangenen Saison, als er in der Gruppenphase der Europa League frühzeitig ausschied, droht dem BVB erneut das Schicksal, Opfer der eigenen Naivität zu werden. Aufwand und Ertrag stehen in einem eklatanten Missverhältnis, „unser Gegner“, sagte Kehl, „hat uns gezeigt, wie man seine Chancen konsequent nutzt. Das war heute der große Unterschied.“

Dass die immer noch junge Dortmunder Mannschaft irgendwann an den Punkt kommt, an der sie an sich selbst verzweifelt, glaubt der Spielführer jedoch nicht. „Das ist überhaupt kein Thema“, verkündete Kehl nach der deprimierenden Erfahrung von Marseille. Davon, wie die Dortmunder Krisenbewältigung funktionieren kann, hat der ehemalige Nationalspieler eine ziemlich konkrete Vorstellung: „Wir müssen dieses Spiel jetzt ernsthaft analysieren und dann am Wochenende beim Heimspiel gegen Augsburg mit breiter Brust rausgehen. Dann werden wir auch wieder in die Spur kommen.“

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