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Sport: Narben für Amerika

Die Klitschko-Brüder stellen ihr Buch vor – und hoffen weiterhin auf große WM-Kämpfe in den USA

Berlin - Irgendwann mal legte Witali Klitschko seinem Bruder Wladimir fürsorglich seine Hand auf den Oberarm. Wladmir Klitschko hatte eine Narbe über der Nase und Blessuren an den Augen. Die Narbe sah man, die Augen nicht. Die steckten hinter einer getönten Designer-Brille. „Mach dir nichts draus“, sagte Witali Klitschko, „Narben machen einen Mann schöner.“ Mag ja sein, Wladimir Klitschko hätte trotzdem gern darauf verzichtet. Er grinste verkniffen. DaVarryl Williamson hatte ihm diese Narbe zugefügt. Der Profiboxer Williamson hatte zwar Samstagnacht gegen Wladimir Klitschko in Las Vegas verloren, aber er hatte seinem ukrainischen Gegner genügend Schläge beigebracht, dass der an Körper und Seele verletzt war.

Und so musste Wladimir Klitschko am Montag im KaDeWe in Berlin zugeben, dass „ich nicht gut geboxt und die Erwartungen vieler Fans nicht erfüllt habe“. Und sein Bruder Witali, zwei Meter neben ihm, sekundierte: „Er hat zu viele Fehler gemacht.“ Solche Töne hatte der Verlag, der das neue Buch der Gebrüder Klitschko in Anwesenheit der Hauptdarsteller präsentierte, bei diesem Termin eigentlich nicht erwartet. 50 000 Exemplare beträgt die Startauflage von „Unter Brüdern“ (Verlag random house). Denn in diesem Herbst sollten die Klitschkos herausragende WM-Kämpfe bestreiten, mit dem Ziel Schwergewichts-Weltmeister aller vier wichtigen Verbände zu werden. So sah es die Planung der Klitschkos vor, danach richtete sich auch der Verlag bei der Terminierung der Buchveröffentlichung.

Aber es läuft halt vieles nicht so wie geplant bei den Klitschkos. Wladimir Klitschko erleidet peinliche Niederlagen oder dürftige Siege, Witali Klitschko boxt am 11. Dezember nicht gegen seinen „Traumgegner“ Mike Tyson, sondern gegen Danny Williams, der Tyson vor kurzem besiegt hatte. An der strategischen Planung der beiden freilich ändert das nichts. Sie wollen die USA erobern, dort suchen sie jene Anerkennung, die „Henry Maske leider nicht hatte“ (Witali Klitschko). Der Champion aus Frankfurt (Oder) ist „immer ein deutscher Weltmeister geblieben“. Witali Klitschko zitierte feierlich Max Schmeling: „Nur in den USA wirst du ein großer Boxer.“

Stimmt schon, aber ob die Klitschkos so weit kommen, ist doch fraglich. Witalie Klitschko, der Weltmeister, ist anerkannt, das schon. Aber Wladimir Klitschko hat rapide an Stellenwert eingebüßt. Er hat am Samstag gegen einen Repräsentanten eines mexikanischen Kartoffelchip-Herstellers gewonnen, aber es war kein strahlender Erfolg; der Kampf wurde abgebrochen. Der TV-Kommentator des übertragenden US-Senders blieb auffallend reserviert. Dafür verhöhnte ein Box-Journalist den Ukrainer als „Zitrone“. Der Reporter empfahl Trainer Steward, die Hände von Klitschko zu lassen: „Aus einer Hühnersuppe wird nie ein knuspriges Hähnchen.“

Scheitert der eine in den USA, dann reißt er den anderen mit. Zumindest als Werbefigur. Denn die Klitschkos gibt es nur im Doppelpack als Werbefiguren. Das ist seit langem klar. Witali Klitschko als Solo-Werbedarsteller: unmöglich. Noch sind die beiden Profis von ihrem Vermarkter sportfive als Werbefiguren nicht auf dem US-Markt positioniert, das soll jetzt beginnen. In Deutschland dagegen sind sie im Geschäft. Ihr Werbespot für einen Süßwaren-Hersteller läuft auf vielen Kanälen.

Doch die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Klitschkos in die USA absetzen, dort kämpfen und die deutschen Fans sie nur noch am Fernseher sehen, sinkt. Dafür scheint Wladimir Klitschkos Stellenwert in den USA zu gering. 2005 jedenfalls werden beide in Deutschland boxen. Sie brauchen die deutschen Fans ebenso wie ihre Partner und wie ihr Sponsor den deutschen Markt benötigt. Den Kampf am Samstag übertrug Premiere. „Wir wollen ins Free-TV zurück. Wir wollen näher zu den Fans“, sagt Witali Klitschko. Aber so einfach ist das nicht. In die ARD und ins ZDF können sie nicht, denn die haben Verträge mit den Promotern Kohl und Sauerland. Doch mit Kohl sind die Klitschkos zerstritten, mit Sauerland haben sie angeblich nie verhandelt. Irgendwie, signalisiert Witali Klitschko, werden sie schon ins Free-TV kommen.

Gestern kümmerten sie sich erst mal um die Werbung für ihr Buch. Und deshalb nahm Wladimir Klitschko sogar die Brille ab. „So ungeschminkt wie ich jetzt bin, so ungeschminkt wird im Buch erzählt.“ Zehn Minuten hielt er durch. Dann saß die Brille wieder auf der Nase.

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