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Sport: Nationale Depression

Neuseeland scheitert bei der Rugby-WM ausgerechnet am Erzrivalen Australien

Auckland. „Das darf doch nicht wahr sein!“ Die Gäste der Kneipe in Brown’s Bay am Nordufer Aucklands fluchten und schlugen die Hände vors Gesicht. Was sich am Samstag in der neuseeländischen Stadt abspielte, ereignete sich wahrscheinlich in jedem Wohnzimmer des Landes, als die Australier den favorisierten Neuseeländern mit 22:10 im Olympiastadion von Sydney im Halbfinale den Traum von ihrer zweiten Rugby-Weltmeisterschaft nahmen und damit das rugbyverrückte Land in eine nationale Depression schickten.

Die Australier hatten die Neuseeländer von Beginn an unter Druck gesetzt und den Flügelläufern keine Chance zur Lücke gelassen. Dabei gelang den Australiern nur ein Versuch. In der zehnten Minute fing der Australier Stirling Mortlock einen Pass des Neuseeländers Carlos Spencer ab und konnte ungehindert die Torauslinie erreichen. „Die Australier haben uns unser Spiel nicht spielen lassen“, sagte Neuseelands Kapitän Reuben Thorne enttäuscht. Die „Wallabies“ spielten leidenschaftlich und konzentriert. Nach der ersten Halbzeit stand es 13:7 für Australien, nachdem das Team von Eddie Jones bereits mit 13:0 geführt hatte. Aber auch in der zweiten Hälfte gelang es den Neuseeländern nicht, ihr schnelles Spiel aufzubauen.

Jones, der noch vor dem Spiel wegen seiner „veralteten, auf Verteidigung ausgerichteten Spielweise“ kritisiert worden war, fand dennoch positive Worte für den größten Rivalen der Australier: „Neuseeland hat während der WM den Standard im Welt-Rugby gesetzt – mit seiner Intelligenz, seinem Tempo und Rhythmus. Nur eben nicht heute. Das haben wir verhindert.“

Für John Mitchell, den neuseeländischen Coach, könnte die Niederlage das jähe Ende als Nationaltrainer bedeuten. Schließlich war mit dem zweiten Titel nach 1987 fest gerechnet worden. In den nächsten Wochen dürfte eine Welle der Kritik über Mitchell und sein Team hereinbrechen, denn Neuseeland identifiziert sich stark über diesen Sport. Mitchell aber verteidigte seine Mannschaft, die Australier seien schlicht cleverer gewesen. „Das ist ein verdammt gutes Team, und ich liebe es, mit ihm zu trainieren. Die Entscheidung über meinen Rücktritt muss mein Arbeitgeber treffen.“ Australien hat nun die Chance, als erstes Team drei Titel zu gewinnen und erstmals einen Titel erfolgreich zu verteidigen. Am 22. November geht es in Sydney gegen den Weltranglistenersten England, der gestern die Franzosen klar mit 24:7 besiegte.

England, während der WM für sein unerwartet schlechtes Spiel kritisiert, sah die Wiedergeburt seines Stars Jonny Wilkinson, der in den bisherigen Spielen nicht überzeugen konnte. Nun aber besiegte er das französische Team quasi im Alleingang – mit fünf verwandelten Strafstößen und drei Drop-Goals. England hat nun die Chance, den Webb Ellis Cup erstmals nach Europa zu holen.

Ingo Petz

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