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Benedikt Höwedes und Julian Draxler (im Bild) waren als Beifahrer mit in dem Mercedes.

© dpa

Nationalelf in Südtirol: Unfall überschattet das WM-Trainingslager

Die Nationalmannschaft ist von dem Unfall im WM-Trainingslager tief betroffen. Bereits im Voraus war Kritik an der PR-Aktion laut geworden. Die Polizei sichtet nun Foto- und Videomaterial, um den Unfallhergang zu rekonstruieren.

Die Dame und die Herren trugen große Betretenheit in ihren Gesichtern, als sie am Mittwoch vor die Presse in St. Martin traten. Man stehe noch unter dem Eindruck der Ereignisse des Vortags, sagte Oliver Bierhoff. Am Tag nach dem tragischen Ausgang einer Werbeaktivität des Sponsors Mercedes-Benz und der deutschen Fußball-Nationalmannschaft stellte sich der Manager der Nationalmannschaft sowie Claudia Merzbach (Mercedes) und der Polizeihauptkommissar Johann Ramoser vom zuständigen Polizeipräsidium der Öffentlichkeit.

„Wir sind tief betroffen, es tut uns allen sehr leid, was passiert ist“, sagte Merzbach in ihrer Rolle als Sprecherin der Sportkommunikation bei Mercedes-Benz. Bei einer Sponsoren-Aktion im Rahmen des WM-Trainingslagers der Fußball-Nationalmannschaft war es am Dienstag in der Berglandschaft des Südtiroler Passeiertals zu einem schweren Unfall gekommen. Der von DTM-Fahrer Pascal Wehrlein gesteuerte Wagen hatte auf einer eigens abgesperrten Bergstrecke zwei Personen erfasst. Die eine Person, ein Streckenposten aus der benachbarten Gemeinde, war anschließend ins Krankenhaus ins nahe gelegene Meran gebracht worden. Ein Tourist aus Thüringen musste dagegen schwerverletzt mit dem Rettungs-Hubschrauber ins etwa 50 Kilometer entfernte Bozen geflogen werden.

Viele offene Fragen zum Unfallhergang

Der 63-Jährige war von einem 360 PS starken Mercedes, den der 19-jährge Wehrlein gesteuert hatte und in dem der Schalker Nationalspieler Benedikt Höwedes als Beifahrer saß, auf einer kurvigen Strecke erfasst worden. Wehrlein war mit seinem Auto dicht hinter Formel-1-Pilot Nico Rosberg gefahren und offenbar bei einem Ausweichmanöver von der Straße abgekommen.

Beiden Patienten gehe es den Umständen entsprechend, nähere Auskünfte könne er nicht erteilen, sagte Hauptkommissar Ramoser. Auch alle anderen Fragen, wie etwa die zum Unfallhergang, könne er mit Verweis auf laufende Ermittlungen nicht beantworten. „Über die Situation der Patienten kann nur die behandelnde Ärzteschaft etwas sagen. Und die Ergebnisse unserer Ermittlungen gehen dann an die zuständige Staatsanwaltschaft Bozen“, sagte Ramoser. Wann damit zu rechnen ist, könne er ebenfalls nicht voraussagen.

Oliver Bierhoff hatte noch am Abend zusammen mit den beiden Berufs-Rennfahrern beide verletzte Unfallopfer in den jeweiligen Krankenhäusern besucht. Der erste Besuch bei dem Streckposten sei „gut“ gewesen, mit ihm habe man sich unterhalten können. Sein Gesundheitszustand sei nicht „schwerwiegend“, wie sich Bierhoff vorsichtig ausdrückte. Bei der Frau des schwerverletzten Urlaubers sei es dagegen „schwieriger“ gewesen. Man habe seiner Frau aber „jedwede Hilfe und Unterstützung zugesichert“. Claudia Merzbach sagte im Namen von Mercedes: „Sie können sicher sein, dass wir keinen allein lassen.“

Bereits am Vortag gab es Kritik an der PR-Aktion

Für alle Beteiligten sei der Unfall ein großer Schock gewesen, berichtete Oliver Bierhoff. Die beiden Nationalspieler Julian Draxler und Benedikt Höwedes seien tief betroffen gewesen, hätten nach der Rückkehr ins Mannschaftsquartier ein starkes Bedürfnis gehabt, sich über das Geschehene auszutauschen. Höwedes, der im Unfallauto als Beifahrer gesessen hatte, soll bei der Erstversorgung geholfen haben. „Ich habe nichts getan, was nicht jeder andere auch getan hätte. In einer solchen Situation Hilfe zu leisten ist selbstverständlich“, sagte der Schalker am Tag danach. „Ich glaube, dass die Bilder noch eine Zeit lang in meinem Kopf bleiben werden.“

Auch am Mittwoch nahm Oliver Bierhoff noch einmal Kontakt zur Frau des schwerverletzten Unfallsopfers auf. „Unsere Gedanken sind bei ihnen und ihren Familien. Unser Wunsch ist es, dass sich ihr Gesundheitszustand bessert“, sagte Bierhoff.

Das nicht so schwer verletzte zweite Unfallopfer soll dagegen keine Vorwürfe gegen Unfallfahrer Wehrlein erhoben haben. „Nein. So etwas wollte doch niemand“, sagte er der „Hamburger Morgenpost“: „Vielleicht hätten sie da nicht ganz so schnell sein müssen.“ Er habe vergeblich versucht, den Urlauber zu retten. Der Mann habe nicht auf der Straße gestanden, aber dicht daran, und habe wohl ein Foto machen wollen. „Ich wollte ihn zurückziehen, habe es nicht mehr geschafft.“

Kritik an der PR-Veranstaltung

Bereits am Vortag war Kritik an der PR-Aktion im Rahmen des WM-Trainingslagers der Nationalmannschaft laut geworden. Vor der Abfahrt hatte es stundenlang im Passeiertal geregnet, die Straßen ringsum waren nass und seifig. Man habe kurz darüber nachgedacht, auf die „Produktfahrt-Vorstellung“ (Merzbach) zu verzichten, dann sei man aber zur Tagesordnung übergegangen. „Diese Fahrer wissen ihre Grenzen auszuloten. Das Tempo war wegen der kurvigen Strecke auch nicht sonderlich hoch“, sagte Bierhoff.

Bei der Aktion habe es sich nicht um ein Rennen gehandelt. „Es ging nur darum, ein Produkt kennen zu lernen“, eine Aktion, wie sie ihr Unternehmen oft durchführe, sagte Merzbach. „Und einige Spieler waren gespannt darauf.“ Ähnliche Aktionen habe es in fast allen Trainingslagern des DFB-Teams gegeben. Bei möglichen Konsequenzen des Stuttgarter Unternehmens ginge Sorgfalt vor Schnelligkeit, sagte Merzbach, die darauf hinwies, dass Mercedes der Polizei umgehend und ohne vorherige Aufforderung sämtliches Video- und Fotomaterial der PR-Aktion zur Verfügung gestellt zu haben. „Wir sind doch am meisten daran interessiert zu erfahren, wo war vielleicht ein Fehler.“

Bierhoff betonte, dass er für die Aktion keinen Spieler habe verpflichten müssen. Neben Draxler und Höwedes hätten noch vier weitere Spieler bereit gestanden. Allerdings räumte Bierhoff auch ein, dass bei ihm „die Lust auf eine solche Aktivität im Moment nicht vorhanden“ sei. Zugleich kündigte der Manager an, künftig noch gewissenhafter solcherlei Aktivitäten auf ihre Gefahren hin zu prüfen. Es gebe immer ein Für und ein Wider. Grundsätzlich wolle man weiterhin Teamaktivitäten anbieten, „aber dabei das Restrisiko noch stärker im Auge behalten und es so klein wie möglich halten“, sagte Bierhoff.

Unterdessen versicherte Hauptkommissar Ramoser, dass die betreffende Strecke sicher gewesen sei. Sie sei klar erkennbar abgesperrt gewesen, an jeder Straßenverzweigung hätte zudem ein Streckenposten gestanden.

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