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Nationalelf: Lust auf mehr

Die Sieg-Mission bei der Mini-WM hat das Team von Jürgen Klinsmann zwar nicht erfüllt, aber die attraktiven Vorstellungen der deutschen Elf weckten die Vorfreude auf die Weltmeisterschaft 2006. Die Fans lieben den neuen Hurra-Fußball - Oliver Kahn nennt es "Kamikaze".

Leipzig (30.06.2005, 11:43 Uhr) - Nach der berauschenden Abschlussvorstellung geht die deutsche Nationalmannschaft mit einem großen Vertrauens-Bonus ins WM-Jahr - aber erst einmal zählte nur der Urlaub. In der Nacht nach dem unterhaltsamen 4:3 nach Verlängerung gegen Mexiko feierten die Spieler in einer Leipziger Keller-Disco den verdienten dritten Platz beim Confederations Cup. Bereits am frühen Donnerstag brachen die ersten in ihre Heimatorte auf, danach ging es weiter in die Ferien. «Das haben sich alle verdient», erklärte Kapitän Michael Ballack, der in der 97. Spielminute mit seinem Freistoßtor einen tollen Abschluss unter ein gelungenes Turnier gesetzt hatte. «Das gibt uns absolut Selbstvertauen für die nächsten Monate.»

«Einige Spieler sind auf dem Zahnfleisch daher gekommen, haben das letzte aus sich herausgequetscht. Das war ein Riesen-Spektakel», lobte Klinsmanns Assistent Joachim Löw den finalen Akt des Teams vor 43 335 Zuschauern im Stadion und bis zu 13,82 Millionen an den TV-Geräten. «Der letzte Eindruck wird haften bleiben», freute sich auch Team-Manager Oliver Bierhoff.

Die Fans in Deutschland honorieren den unerschrockenen Offensiv- Fußball der jungen Klinsmänner mit enormem Zuspruch, die Nationalelf ist ein Jahr nach der EM-Pleite in Portugal wieder in. «Das Publikum merkt, dass da eine Mannschaft ist, die sich voll füreinander einsetzt, die voller Leidenschaft ist, voller Energie, viel lernen möchte», erklärte Klinsmann vor dem Heimflug in die USA und fügte an: «Wir sind in einem Jahr enorm gewachsen. Es hat nicht ganz gereicht für das Endspiel, da wollen wir nächstes Jahr hin.»

Als Spaß-Bremse entpuppte sich lediglich Oliver Kahn, der die Defensiv-Schwächen in harter Form anprangerte: «Es ist schon haarsträubend, wie viele Fehler und Unzulänglichkeiten uns passieren. Solche Fehler wurden hier beim Confed-Cup noch durch die Euphorie übertüncht, aber da müssen wir schwer dran arbeiten, damit wir davon wegkommen.» Für den 36-jährigen Torhüter ist der neue Klinsmann-Stil «fast schon Kamikaze». Kahn blickte eher skeptisch nach vorne: «Ich weiß nicht, ob uns das bis zum WM-Finale führt.»

Kapitän Ballack wies zwar ebenfalls auf Nachholbedarf in der Abwehrarbeit hin, fand aber weit moderatere Töne: «Wir haben viele Tore geschossen, aber auch kassiert. Nur gegen Brasilien hat es nicht gereicht, das baut auf. Trotzdem bleibt die alte Fußball-Weisheit bestehen: Die Defensive muss stimmen, um einfach Sicherheit zu bekommen.» 15:11 Tore im Turnier verdeutlichen Stärken und Schwächen zugleich: Kein Team schoss mehr Tore, aber keins kassierte auch mehr.

Energieleistung gegen Mexiko

Der große Teil des Personals scheint spätestens nach einer Energieleistung gegen Mexiko, die selbst Experten im undankbaren Spiel um Platz 3 nicht für möglich gehalten hatten, vom Stil ihres Trainers überzeugt. «Ich glaube schon, dass wir reelle Chancen haben, im nächsten Jahr um den WM-Titel zu spielen», sagte Bernd Schneider.

Beim WM-Auftakt am 9. Juli 2006 in München wird wahrscheinlich Mike Hanke fehlen. Zwar will Klinsmann nach der harten Roten Karte für den Neu-Wolfsburger beim Weltverband FIFA gegen eine Sperre kämpfen, doch die Regeln sind eindeutig: Mindestens ein Spiel Sperre im nächsten Pflichtspiel. «Das wäre ein Unding», erregte sich Klinsmann und will alle Möglichkeiten prüfen lassen. Möglicherweise muss der Deutsche Fußball-Bund über ein Gnadengesuch gehen.

Sportlich rückte der Trainer nach dem Confed-Cup vor allem die Entwicklung seiner Jugend-Abteilung in den Vordergrund. Spieler wie Per Mertesacker sowie Lukas Podolski, Robert Huth und Bastian Schweinsteiger, die neben Ballack gegen Mexiko wunderschöne Tore erzielten, hätten einen «enormen Lernprozess» hinter sich. Dazu habe sich Sebastian Deisler stark positioniert, bilanzierte Klinsmann: «Was fasziniert, ist die Tatsache, dass wir bei einem kleinen Rückschlag immer wieder zurückschlagen.»

Klinsmann hat beim Confed-Cup auch die Skepsis der Fans gegen seine Person gebrochen, die durch seine ungewohnten Trainingsmethoden und den Wohnort USA mit geschürt worden war. In Leipzig wurde der Bundestrainer erstmals mit «Jürgen-Klinsmann»-Sprechchören. «Es freut einen natürlich, wenn einem die Leute ein Kompliment machen für die geleistete Arbeit», erklärte der 40-Jährige, verwies aber auf die Hauptbeteiligten: «Die Arbeit wird von der Mannschaft umgesetzt.» (tso)

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